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Future Medicine in CF – Ausführlicher Bericht zum 19. Scientific Meeting

Intensiver Austausch fand unter den internationalen Teilnehmern des Scientific Meetings statt. (Foto: Mukoviszidose e.V.)
Das Mukoviszidose Institut richtet nunmehr seit 19 Jahren jährlich das Scientific Meeting (ScieM) aus. Ziel ist es, Nachwuchsforscher, CF-Ärzte und etablierte Forscher zu vernetzen, um unserem Ziel „Gemeinsam Mukoviszidose besiegen“ noch schneller näher zu kommen. Knapp 50 Wissenschaftler und Ärzte reisten am 19. und 20. September 2019 nach Montabaur, davon 12 eingeladene Referenten aus Deutschland, Kanada, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden, um das Thema „Future Medicine in CF“ zu diskutieren.
Intensiver Austausch fand unter den internationalen Teilnehmern des Scientific Meetings statt. (Foto: Mukoviszidose e.V.)

Patienten-individuelle Ansätze zur Medikamenten-Testung

Seit der Zulassung des ersten CFTR-Modulators im Jahr 2012 hat sich für viele Patienten mit Mukoviszidose (cystische Fibrose, CF) die Therapie deutlich verändert. Dennoch profitieren viele Patienten noch nicht von den neuen Entwicklungen, entweder, weil es für ihre Mutation noch kein zugelassenes Medikament gibt, oder weil das Medikament keinen deutlichen Effekt zeigt. Vor allem Patienten mit seltenen Mutationen sind im Nachteil, da die Medikamentenentwicklung für einige wenige Patienten wirtschaftlich uninteressant ist. In vielen Ländern werden die teuren Medikamente außerdem nicht vom Gesundheitssystem erstattet oder nur, wenn die Wirksamkeit individuell nachgewiesen wurde. Denn nicht nur die genetische Ausstattung eines Patienten bestimmt die Wirksamkeit eines Medikaments, es gibt noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen können. Daher entwickeln Forscher Methoden, um die Wirksamkeit einer verfügbaren Therapie Patienten-individuell zu testen. 

In einem von der EU geförderten Projekt wird dies derzeit in Organoiden aus dem Darmepithel von CF-Patienten mit seltenen Mutationen untersucht. Inzwischen konnten schon fast 200 Patienten getestet werden, darunter auch 33 aus Deutschland. Auch ein kanadisches Projekt (untersucht Patienten-individuell die Wirkung von verfügbaren Substanzen, allerdings an nasalen Epithelzellen. Wie in dem europäischen Projekt ist auch hier die Einrichtung einer Biobank geplant, so dass der Nutzen beider Projekte langfristig angelegt ist: Neu verfügbare Substanzen können auch später noch an den eingelagerten Proben getestet werden, um schnellstmöglich passende Wirkstoffe für jeden Patienten finden zu können. 

Europäisches Projekt Hit-CF 

Patientenregister als wichtige Ressource zur Beurteilung von Medikamenten nach Zulassung

Patientenregister, wie das deutsche Mukoviszidose-Register (Muko.Web), sind inzwischen gut etablierte Datenbanken, um Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien zu beurteilen. Denn entscheidend ist, wie Therapien im wirklichen Leben wirken („real life data“) und nicht nur in gut kontrollierten klinischen Studien, wo viele Patienten, wie z. B. besonders Kranke oder auch Schwangere ausgeschlossen werden. Seitdem in vielen Mukoviszidose-Patientenregistern klinische Daten zum Gesundheitszustand und Daten zur Therapie dokumentiert werden, ist es naheliegend, dass diese Ressource auch zur Langzeitbeobachtung von Medikamenten hinsichtlich Sicherheit (z. B. Einnahme während Schwangerschaft) und langfristiger Wirkung genutzt werden sollte. Die Qualität der europäischen Mukoviszidose-Patientenregister wurde von der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) anerkannt und die nationalen europäischen Register werden inzwischen von Pharmafirmen kontaktiert, wenn Studien nach Marktzulassung zur Sicherheit (PASS) oder Effektivität (PAES) von den Behörden auferlegt werden. Verschiedene Studien finden derzeit statt, sieben sind derzeit in einer europäischen Datenbank gelistet. 

Europäische Datenbank EU-PAS Register

Welchen Defekt verursacht eine Mutation?

Die Therapien mit den CFTR-Modulatoren sind auf den funktionellen Defekt der Zelle ausgerichtet. Beispielsweise wirkt die Therapie mit Ivacaftor bei Zellen, deren CF-Mutation die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chlorid-Kanals reduziert (z.B. bei der G551D-Mutation). Sie wirkt aber nicht bei Mutationen, bei denen die Produktion des Chlorid-Kanals gestört ist (z.B. bei der F508del-Mutation). Diese unterschiedlichen Funktionsdefekte werden in Mutationsklassen eingeteilt und die CFTR-Modulatoren entsprechend angewendet. Aber selbst wenn Mutationen an derselben Stelle des CF-Gens liegen (z.B. S549I, S549N, S549R), können ihre funktionelle Ausprägung und damit die Schwere der Mukoviszidose unterschiedlich sein. Bei diesen Mutationen konnte eine britische Arbeitsgruppe mit einem neuen Ansatz an einzelnen nasalen Epithelzellen funktionelle Unterschiede zeigen: S549N und S549R reduzieren die Häufigkeit der Kanalöffnung, S549I hingegen verlangsamt die Chlorid-Passage durch den Kanal, die Häufigkeit der Öffnung ist jedoch normal. In dem Zell-System konnte auch die Wirksamkeit von CFTR-Modulatoren untersucht werden: Lumacaftor hatte wenig Effekt auf die Zellen mit S549I-Mutation, die Kombination mit Ivacaftor zeigte bei allen Mutationen einen Effekt auf den Chlorid-Transport. 

Wichtig ist daher für die Zukunft, dass jede Mutation funktionell charakterisiert wird, um die Auswirkungen in der Zelle zu verstehen und mutationsspezifische Therapien zu entwickeln. 

Verschiedene Projekte befassen sich mit der Entwicklung einer Bakteriophagen-Therapie

Bakteriophagen sind den Viren ähnlich, denn sie können sich nicht außerhalb von Zellen vermehren, sondern bedienen sich der Zellmaschinerie der Wirtzellen für ihre Verbreitung. Wobei die Bakteriophagen das eben nur in Bakterien machen und andere Zellen verschonen, d.h. keine viralen Infekte beim Menschen verursachen können. Besonders charmant ist, dass Bakteriophagen in Bezug auf ihr Wirtsbakterium sehr wählerisch sind und daher bakterienspezifisch einsetzbar wären. Das heißt, die „guten“ Bakterien würden bei einer Bakteriophagen-Therapie verschont. Und auch die Therapie beendet sich selbst, wenn alle Wirtsbakterien getötet worden sind. Insgesamt scheinen Bakteriophagen damit das optimale Werkzeug, um gefährliche Bakterien gezielt zu bekämpfen. 

Aber ganz so einfach ist es nicht. Bakterien und Bakteriophagen finden sich überall – auch in der Lunge – und sie sind in einem ständigen Wettkampf ums Überleben. Um eine bakterielle Infektion bei einem Patienten zu bekämpfen, muss man demnach erst den richtigen Bakteriophagen finden. Man wird also nicht auf ein vorher schon in klinischen Prüfungen gut untersuchtes und nach dem derzeitigen Zulassungsverfahren verfügbares Medikament zurückgreifen können. In einem vom BMBF geförderten Projekt wird daran gearbeitet, hier eine Lösung zu finden. Derzeit wird versucht, einen Phagen-Cocktail zu entwickeln, welcher gleich mehrere krankmachende Bakterien bekämpfen kann. Erste Versuche im Tiermodell stimmen zuversichtlich, auch konnte gezeigt werden, dass Bakteriophagen aktiv bleiben, wenn sie über einen Inhalator verabreicht werden. Im Rahmen des Projekts wird auch mit der Zulassungsbehörde zusammengearbeitet, so dass Lösungen gefunden werden sollen, wie die Bakteriophagen Therapie sicher und trotzdem individuell auf einen Patienten zugeschnitten werden kann. 

Grundsätzlich tut sich etwas auf dem Gebiet der Bakteriophagen-Therapie, auch das Bundeswehrkrankenhaus in Berlin scheint auf das schlummernde Potential der Bakteriophagen aufmerksam geworden zu sein. Aber auch Resistenzen sind ein Thema, welches Kritiker der Bakteriophagen-Therapie immer wieder anbringen, denn Bakterien können genetische Sequenzen der Bakteriophagen zur späteren Wiedererkennung speichern und durch eingeleitete Abwehrmechanismen resistent gegen diese Bakteriophagen werden. Aktuelle Untersuchungen dazu zeigen jedoch, dass auch resistente Bakterien unter Bakteriophagen-Therapie weniger aggressiv (virulent) sind und das Wachstum eingeschränkt ist, so dass ihnen dann ggf. in Kombination mit einer antibiotischen Therapie beizukommen ist oder auch die körpereigene Abwehr wieder damit fertig wird.

Projekt Phage4Cure

Projekt PhagoFlow 

Gentherapie: die Therapie für alle Mutationen

Die Gentherapie ist weiterhin im Interesse der CF-Forschung. Wenn es gelingt, ein „gesundes“ CFTR-Gen stabil in die Zellen des Lungenepithels einzubringen, kann dadurch der CF-Defekt korrigiert werden – unabhängig von der Mutation. Das gesunde CFTR-Gen würde dazu führen, dass der CFTR-Kanal hergestellt wird und der Salztransport über die Zellmembran funktioniert. Soweit die Theorie – in der Praxis scheitert es meist daran, dass es keine guten Transportsysteme gibt, die das gesunde CFTR-Gen sicher und effizient dahin (und nur dahin) bringen, wo es gebraucht wird. Eine Münchner Arbeitsgruppe hat ein System entwickelt, was das nun möglich machen soll (vgl. auch Forschungsnews März 2019). Erste Ergebnisse an CFTR-Mäusen wurden nun vorgestellt und eine langzeitige CFTR-Expression über 18 Wochen konnte nach inhalativer Verabreichung gezeigt werden. Weitere Experimente müssen nun noch die Sicherheit dieser Gentherapie zeigen, bevor die nächsten Schritte in Richtung klinischer Testung gemacht werden können. 

Makrophagen-Transplantation nach Anzucht von humanen Abwehrzellen im Labor 

Körpereigene Fresszellen, die sogenannten Makrophagen, bilden eine erste und unspezifische Abwehrkette, indem krankmachende Keime „aufgefressen“ und dadurch eliminiert werden. So im Normalfall. Bei CF können Makrophagen vermutlich diese Aufgabe nur unvollständig übernehmen. Demnach wirkt sich der CFTR-Defekt möglicherweise auch auf eine nur eingeschränkt funktionierende Abwehr dieser Fresszellen aus. 

In Zeiten der Stammzellforschung liegt es nahe, solche körpereigenen Abwehrzellen im Labor herzustellen. Das gelingt inzwischen in einer Arbeitsgruppe in Hannover schon im großen Maßstab und in Zellreaktoren entstehen aus Blutzellen spezialisierte Körperzellen je nach Zugabe der Wachstumsfaktoren. In einem vom Mukoviszidose e.V. geförderten Projekt wird derzeit daran gearbeitet, aus Blut von CF-Patienten gewonnene Zellen im Labor hinsichtlich des CFTR-Defekts zu reparieren und diese anschließend im Zellreaktor zu Fresszellen, also Makrophagen, zu differenzieren und zu vermehren. Auch hier gibt es erste Ergebnisse aus dem Tiermodell, die zeigen, dass eine Verabreichung von im Labor korrigierten und vermehrten Makrophagen (Makrophagen-Transplantation) machbar ist und helfen kann, eine Infektion mit Pseudomonaden wieder in den Griff zu bekommen. Weitere Untersuchungen werden derzeit durchgeführt um diese Therapiemöglichkeit in Richtung klinischer Testung weiterzuentwickeln. 

Digitale Ansätze nutzen dem Patienten 

Die Therapieadhärenz ist auch bei Mukoviszidose ein wichtiges Thema. Die Therapielast ist groß, wodurch eine exakte Anwendung aller verschriebenen Therapien oftmals unmöglich erscheint. Andererseits könnte die Therapielast möglicherweise reduziert werden, wenn die Therapie immer konsequent angewendet wird, denn dann treten weniger Situationen auf, in denen zusätzliche Medikamente notwendig werden. Daher wird insbesondere bei Jugendlichen, bei denen aufgrund mangelnder Adhärenz oft ein entsprechender Abfall der Lungenfunktion auftritt, versucht, mit Smartphone-Apps zu helfen. Gerade in dieser Altersgruppe bleibt der Erfolg damit jedoch fraglich, wie eine Studie aus Hannover zeigte. Allen Anwesenden war bewusst, dass eine solche App nicht nur hilfreich, sondern auch spannend, unterhaltsam und ansprechend sein muss, um regelmäßig genutzt zu werden. Hier sind neben den Klinikern und Forschern sicher auch die zukünftigen Nutzer in die Entwicklung solcher Apps einzubinden. 

Um die Versorgung der Patienten digital zu unterstützen, werden aktuell auch Methoden wie das Home-Monitoring untersucht, in dem Patienten ihren gesundheitlichen Status zuhause selbst untersuchen und die Werte, z.B. der Lungenfunktion, an den behandelnden Arzt regelmäßig digital melden. Dadurch lassen sich Verschlechterungen schneller erkennen und geeignete Therapien früher einleiten, denn die Symptome einer Verschlechterung treten meist später auf als die Lungenfunktionswerte es bereits erkennen lassen. Digitale Methoden wie Home-Monitoring sind von großem Patientennutzen, da sie helfen können, Verschlechterungen schnell zu erkennen und frühzeitig zu behandeln, können aber auch zu einer Kosteneinsparung führen, wenn dadurch Patienten weniger häufig im Krankenhaus aufgenommen werden müssen. Erste Untersuchungen aus USA und England zeigen, dass im Home-Monitoring häufiger Antibiotika-Tabletten anstatt von i.V.-Antibiotika-Therapien ausreichen. 

Dr. Uta Düesberg und Dr. Sylvia Hafkemeyer


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