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Internationale Wissenschaftler diskutierten über Organoide in der Mukoviszidose-Forschung

Scientific Meeting des Mukoviszidose e.V.

Bonn, Mainz, 2. Oktober 2017 – Beim Scientific Meeting des Mukoviszidose e.V., das am 21. und 22. September 2017 im Schloss Waldthausen bei Mainz stattfand, diskutierten 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA, England, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Italien und Deutschland über das Thema Organoide und ihre Bedeutung für die Mukoviszidose-Forschung. 

Organoide sind im Labor angezüchtete Miniatur-Organe. Oft werden die Organoide aus Gewebeproben, z.B. aus dem Enddarm oder der Nase, hergestellt. Forscher können jedoch inzwischen auch die Bedingungen im Labor so nachstellen, dass aus einzelnen Zellen, die irgendwo im Körper entnommen wurden, durch Umprogrammierung Herz-, Nerven-, Darm- oder auch Lungengewebe ausgebildet wird. Die Untersuchung von Organoiden hat für die Mukoviszidose-Forschung einige besondere Vorteile: Einerseits helfen diese Mini-Organe dabei, die Auswirkungen unterschiedlicher Genveränderungen auf die Ausprägung einer Erkrankung wie Mukoviszidose zu beobachten und dadurch besser zu verstehen. Andererseits können die Organoide patientenindividuell hergestellt werden und ermöglichen so eine individuelle Testung von Medikamenten – ein Schritt in Richtung „personalisierter Medizin“. 

Da der Einsatz von Organoiden in der Mukoviszidose-Forschung lebhaft diskutiert wird, lud der Mukoviszidose e.V. im September internationale Organoid-Experten ins Schloss Waldthausen ein, um die Möglichkeiten, die in diesen Mini-Organen liegen, zu diskutieren. Das Programm hatten Professor Dr. Burkhard Tümmler (Hannover), Dr. Silke van Koningsbruggen-Rietschel (Köln) und Dr. Nico Derichs (Berlin) zusammengestellt. „Das internationale Interesse an der Veranstaltung und die intensiven Diskussionen lassen erkennen, wie wichtig es ist, Forscher miteinander zu vernetzen, um gemeinsame Ziele effizient verfolgen zu können“, sagte Dr. Miriam Schlangen, Leiterin der Mukoviszidose Institut gGmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Mukoviszidose e.V. 

Organoide in der Mukoviszidose Forschung

In seinem Keynote-Vortrag stellte Professor Jeffrey Beekmann (Utrecht, Niederlande) seine Organoid-Forschung vor. Aus „intestinalen Organoiden“, die relativ einfach im Labor aus Darmzellen eines Patienten herzustellen sind, entwickelte er einen Labortest für die Mukoviszidose-Forschung. Dieser Test kann vorhersagen, ob ein Patient auf einen Wirkstoff ansprechen könnte oder eher nicht. Er ist inzwischen auch in Mukoviszidose-Forschergruppen in Belgien und Portugal etabliert und soll auch europaweit eingesetzt werden. In einem geplanten europäischen Projekt, so berichtete Professor Kris De Boeck (Leuven, Belgien), die Präsidentin der European Cystic Fibrosis Society (ECFS), soll die Methode eingesetzt werden, um Mukoviszidose-Patienten mit ganz seltenen Mutationen zu helfen, eine individuelle, für sie wirksame Therapie zu finden. 

Medikamente für die „Seltenen der Seltenen“

Auch die amerikanische Cystic Fibrosis Foundation (CFF) setzt auf individuelle Zellmodelle, wie Katherine Tuggle (Boston, USA) in ihrem Vortrag erläuterte. Sie sieht in guten Zellmodellen eine Möglichkeit, Zulassungsbehörden davon zu überzeugen, mutationsspezifisch zugelassene Medikamente auch für andere Mutationen zu genehmigen – wenn eine Wirksamkeit in Zellmodellen gezeigt werden konnte. Denn Klinische Studien sind bei ganz seltenen Mutationen aufgrund der wenigen Patienten oft gar nicht durchführbar. Aus diesem Grund unterstützt die CFF auch Projekte zur Untersuchung der Wirksamkeit von Medikamenten an Zellmodellen für die Mukoviszidose-Forschung. 

Ein Beispiel dafür ist die Forschung von Katherine Benson McCauley (Boston, USA). In ihrem Vortrag zeigte sie überzeugende Daten und Bilder von Lungen-Organoiden. Diese werden im Labor durch Umprogrammierung z.B. aus Hautzellen gewonnen und zu Lungengewebe herangezüchtet, eine sehr aufwändige Methode, die derzeit noch nicht routinemäßig angewendet werden kann. Auch Professor Dr. Ulrich Martin (Hannover) nutzt ein ähnliches Verfahren und hat in seinem Labor bereits Zelllinien von Mukoviszidose-Patienten etabliert, die derzeit in einem europäischen Projekt eingesetzt werden, um systematisch nach neuen Medikamenten für die Mukoviszidose-Therapie zu suchen.
 
Untersuchungen zu Wirkmechanismen benötigen weitere Methoden

Aber auch wenn Organoide derzeit einen regelrechten Hype erfahren und durch sie nun ein relativ einfaches Verfahren vorliegt, um die Wirksamkeit von Substanzen bei Mukoviszidose zu testen, muss manchmal doch genauer hingeschaut werden. Vor allem, wenn es darum geht, Mutationen und deren Auswirkungen für die Zelle wirklich auf den Grund zu gehen, sind weitere Verfahren nötig. Denn der verfügbare Organoid-Test gibt keine Auskunft darüber, wie und wo Substanzen genau wirken. Das heißt, für die Entwicklung von neuen Substanzen, basierend auf neuen Wirkmechanismen, wird man weiterhin auch auf andere Methoden zurückgreifen müssen, wie Professor David Sheppard (Bristol, England) und Professor Hugo De Jonge (Rotterdam, Niederlande) anhand ihrer elektrophysiologischen Daten zeigten. 

Nachwuchsförderung des Mukoviszidose e.V. als Chance


Die Forschungsgemeinschaft Mukoviszidose (FGM) im Mukoviszidose e.V., die die Durchführung der Veranstaltung angeregt hat, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Verlauf des Scientific Meetings. „Viele Arbeitsgruppen in Deutschland arbeiten schon länger an Organoiden und Zellmodellen. Unsere Aufgabe ist es, die Expertise dieser Arbeitsgruppen auf die Mukoviszidose-Forschung zu lenken. Die Nachwuchsförderung des Mukoviszidose e.V. kann hier sicherlich helfen, junge Forscher langfristig an die Mukoviszidose-Forschung zu binden“, sagte Professor Dr. Helge Hebestreit (Würzburg), 1. Vorsitzender der FGM. 

Hintergrund-Informationen

Über Mukoviszidose
In Deutschland sind bis zu 8.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen. Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren.

Über den Mukoviszidose e.V.
Der Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose ermöglichen zu können. Damit die gemeinsamen Aufgaben und Ziele erreicht werden, ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung engagierter Spender und Förderer angewiesen. Die Mukoviszidose Institut gGmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Mukoviszidose e.V. 

Pressekontakt:
Mukoviszidose e.V. 
Juliane Tiedt
Telefon: +49 (0)228 9 87 80-22
Mobil: +49 (0)171 9582 382
E-Mail: JTiedt@muko.info  


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