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Mukoviszidose-Register: ein Datenschatz, der gehoben werden muss (Bericht von der ECFS-Konferenz 2018 in Belgrad)

Daten zum Gesundheitszustand und zur Behandlung von Patienten mit Mukoviszidose werden in den USA, in Canada und auch in Europa, nach Einverständniserklärung der Patenten, in verschiedenen Mukoviszidose Registern gesammelt. Auch in Deutschland werden Patientendaten systematisch erfasst. National und auch international liegt somit ein Datenschatz vor, den es zu heben gilt. Denkbar sind vergleichende Analysen zu verschiedenen therapeutischen Ansätzen oder zur langfristigen Beobachtung zur Sicherheit von Medikamenten und vieles mehr. Entsprechend wurde auf der ECFS- Konferenz darüber diskutiert, wie Datensätze sinnvoll verglichen werden können, welche Fragen gestellt und welche Auswertestrategien möglich sind.

Mukoviszidose-Register machen krankheitsrelevante  Zusammenhänge sichtbar

Jeder kennt das: Steht man mit wenig Abstand vor einem großformatigen Plakat oder Bild, kann man Details genau erkennen und jeden Pinselstrich wahrnehmen. Das große Ganze erschließt sich einem jedoch nicht und das Bild kann erst erkannt werden, wenn viele Details mit etwas mehr Abstand zusammen betrachtet werden. Ähnlich ist es mit klinischen Registern, wie z. B. dem deutschen Mukoviszidose Register Muko.web: Der klinische Verlauf einer Mukoviszidose ist bei jedem Patienten anders und wird individuell therapiert. Der Krankheitsverlauf ist nur schwer vorhersagbar. Betrachtet man allerdings viele klinische Daten von verschiedenen Mukoviszidose-Patienten im Verlauf vieler Jahre, können Zusammenhänge erschlossen werden, die ohne systematische Erfassung und Auswertung von Registerdaten verborgen geblieben wären.

Wenn solche Zusammenhänge sichtbar werden, kann das zu Verbesserung der individuellen Behandlung von Mukoviszidose-Patienten genutzt werden und Prognosen zum Verlauf besser möglich sein.

Europa führt das größte Mukoviszidose-Register weltweit

Auf der diesjährigen ECFS-Konferenz waren Patientenregister daher auch ein großes Thema. Das größte nationale und am weitesten zurückreichende Mukoviszidose Register gibt es in den USA. Dort werden seit 1966 systematisch klinische Daten von Mukoviszidose Patienten erfasst. Heute sind in dem amerikanischen Mukoviszidose-Register Daten von über 28.000 Mukoviszidose-Patienten erfasst. Das Europäische Patientenregister (ECFS-PR) übertrifft diese Patientenzahl mit knapp über 44.000 registrierten Mukoviszidose-Patienten noch, reicht jedoch nur – oder immerhin - bis 2008 zurück.

Viele interessante Informationen zum Europäischen Register sind auf der Internetseite der ECFS zu finden

Das Europäische Mukoviszidose-Register vereinigt Daten aus 31 Ländern und 44.000 Patienten

Ohne die Initiative von Ärzten, der Europäischen Mukoviszidose Gesellschaft (ECFS) und der Unterstützung von Patientenorganisationen würde es ein solches europäisches Register gar nicht geben. Denn schon vor 2008 gab es zwar ein Mukoviszidose Register; dieses wurde damals von der Pharmaindustrie initiiert und finanziert und diente allein zu dem Zweck, Behördenauflagen zu erfüllen. Die Sicherheit der neu zugelassenen DNAse Therapie sollte überwacht werden. Nachdem die Auflage erfüllt war, hatte die Industrie wenig Interesse, das Register weiter zu finanzieren und die systematische Erfassung klinischer Daten wurde eingestellt und die bereits gesammelten Daten konnten nicht mehr genutzt werden. Das ECFS-PR (ECFS-Patienten Register) wurde 2008 mit dem Zusammenschluss von 19 Ländern und knapp 19.000 erfassten Patienten begonnen. Inzwischen fließen Daten aus 31 europäischen Ländern  in das ECFS-PR und insgesamt sind Daten von 44.000 europäischen Mukoviszidose-Patienten darin enthalten. Treibende Kraft und Leiter des europäischen Mukoviszidose Registers, ECFS-PR, ist seit über einem Jahr Dr. Lutz Nährlich, Leiter der CF-Ambulanz in Gießen und medizinischer Leiter des deutschen Registers, Muko.web. Möglich wird eine solche große Datensammlung natürlich erst durch die Mitarbeit der Patienten bzw. deren Eltern. Denn bevor Daten in das Register einfließen, muss eine Einverständniserklärung von den Patienten bzw. bei Minderjährigen von deren Eltern unterschrieben werden.

Europäische Zulassungsbehörde verweist auf Nutzung der Mukoviszidose-Register

Viele Aktivitäten rund um die Nutzung der verschiedenen Mukoviszidose Register wurden auf der ECFS-Konferenz vorgestellt. Sehr erfolgreiche Arbeit wurde zuletzt auf europäischer Ebene geleistet, die sich nun in einem offiziellen Dokument der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) auszahlt.

Darin spricht sich die EMA dafür aus, die verfügbaren Mukoviszidose-Patientenregister für Untersuchungen zur Sicherheit zugelassener Medikamente zu nutzen. Konkret bedeutet das, dass Hersteller von Medikamenten nach Zulassung die Registerbetreiber anfragen können, ob die Register für solche Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Kurzlebige Register der Pharmaindustrie sollen damit unnötig werden.

Harmonisierung und Datenqualität werden kontinuierlich vorangetrieben

Damit verbunden sind natürlich gewisse Anforderungen an die Register. So muss eine hohe Datenqualität gewährleitstet werden und die erhobenen Daten sollen möglichst international vergleichbar sein.

Beides wird in verschiedenen europäischen Arbeitsgruppen thematisiert, die ECFS-Konferenz ist dabei Plattform, um sich auszutauschen. Eine Gruppe zur Datenqualität erarbeitet Prozesse, die sicherstellen sollen, dass die Daten, egal aus welchem nationalen Register sie kommen, gleiche Qualität-Standards erfüllen. Eine andere Gruppe treibt die Harmonisierung der Register weltweit voran, denn um Daten auch weltweit vergleichen zu können, muss man sich zumindest auf einen Basisdatensatz einigen, der überall gleich erhoben wird. Eine Aufgabe, die logisch klingt, wo aber der Teufel im Detail liegt: Welchen FEV1-Wert ziehe ich für einen Vergleich heran? Den besten in einem Jahr gemessenen FEV1- Wert? Den zuletzt im Kalenderjahr gemessenen FEV1-Wert? Oder den zuletzt gemessenen FEV1-Wert vor dem neuen Lebensjahr des Patienten?

Auch das deutsche Register Muko.web übermittelt Daten an das europäische Register

Auch das Deutsche Mukoviszidose Register Muko.web lässt Daten in das Europäische Register einfließen. Einmal im Jahr werden pseudonymisierte Daten (weder Rückschluss auf Patienten noch auf die CF-Zentren ist möglich) an das ECFS-PR gegeben. Ebenso machen es die nationalen Register aus z. B. Großbritannien, Frankreich und Belgien und anderen Ländern. Ca. die Hälfte aller beteiligten Länder hat kein eigenes nationales Register-Tool. Diese Länder, wie z. B. Schweiz und Irland, nutzen deshalb für ihr nationales Register die Software des Europäischen Registers (CF-Tracker) zur Datenerfassung in ihren Ländern.

Und wofür das Ganze?

Selbstverständlich geht es nicht nur darum Daten zu sammeln, sondern die Daten sollen genutzt werden, um das große Ganze sichtbar zu machen. Register-Auswertungen zum Überleben zeigen ganz deutlich, dass die Lebenserwartung von Mukoviszidose Patienten im Vergleich zu früher deutlich gestiegen ist. Der Gesundheitszustand der Patienten in den verschiedenen Ländern unterscheidet sich dabei auch innerhalb Europa.  Eine ganz wichtige Register-Auswertung wurde bereits 2015 veröffentlicht[1]. In einer Publikation wird anhand der europäischen Register-Daten vorgerechnet, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung bis 2025 mit einem  50%igen Zuwachs an Mukoviszidose Patienten zu rechnen ist, vor allem mehr Erwachsene Patienten wird es zukünftig geben. (bis zu 75% mehr bis 2015 in den westeuropäischen Ländern).

Solche Register-Auswertungen sind wichtig, um darauf aufmerksam machen zu können, dass Mukoviszidose keine typische Kinderkrankheit mehr ist, damit auf   gesundheitspolitischer Ebene Druck gemacht werden kann, die benötigten Versorgungsstrukturen für erwachsene Patienten zu schaffen.

Trends in der Registerauswertung

„Machine learning“ ist das Stichwort der Zukunft. Damit gehen Register-Auswertungen noch einen Schritt weiter.  Leistungsfähige Computer und kluge Algorithmen können genutzt werden, um aus den verfügbaren Register Daten zukünftig noch viel mehr heraus- lesen zu können. Denkbar ist beispielsweise das Erkennen von neuen Zusammenhängen für eine bessere Vorhersagbarkeit von Komplikationen und Begleiterscheinungen bei Mukoviszidose. Manche Komplikationen treten verhältnismäßig selten auf und klinische Zusammenhänge können oft erst gesehen werden, wenn entsprechende viele Datensätze ausgewertet werden. Daher geht der Trend der Mukoviszidose-Forschung zukünftig sicherlich weiter in Richtung epidemiologische Forschung anhand von großen, zuverlässigen und internationalen Mukoviszidose-Registern.

Dr. Sylvia Hafkemeyer,

29.06.2018

[1] Burgel et al. Eur Respir J 2015; 46(1):133-41


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