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Deutsche Mukoviszidose Tagung 2023: Diagnose CF nicht immer eindeutig

Blick ins Plenum bei der Deutschen Mukoviszidose Tagung 2023

Blick ins Plenum bei der Deutschen Mukoviszidose Tagung 2023. Foto: Britta Leonhardt-Kuschner

Die Behandlung der Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) ist seit einigen Jahren im Umbruch. Neue Therapien, die die Funktion des defekten CFTR-Kanals wirkungsvoll verstärken, führen dazu, dass sich die CF-Patienten in eine noch heterogenere Gruppe verwandeln. Während die einen mit den neuen Therapien auf ein langes Leben hoffen, sind andere nach wie vor schwer krank, sehen einer Lungentransplantation entgegen und leben mit stark eingeschränkter Lebensqualität und Lebenserwartung. Die Deutsche Mukoviszidose Tagung im November 2023 widmete sich intensiv den verschiedenen Fragestellungen, die diese Patientengruppen charakterisieren. Erstes Thema war die Diagnostik: Denn nicht immer ist die Diagnose Mukoviszidose eindeutig. 
Blick ins Plenum bei der Deutschen Mukoviszidose Tagung 2023

Blick ins Plenum bei der Deutschen Mukoviszidose Tagung 2023. Foto: Britta Leonhardt-Kuschner

Gibt es immer eine eindeutige Diagnose Mukoviszidose?

Seit der nationalen Einführung des Neugeborenen-Screenings auf Mukoviszidose in Deutschland im Jahr 2016 wird die Krankheit früher erkannt und kann früher effizient behandelt werden. Europaweit gibt es 22 nationale und 34 regionale Programme für das Screening von Neugeborenen, wie Dr. Jutta Hammermann aus Dresden referierte. Die Methodik, mit der das Neugeborenen-Screening in Deutschland durchgeführt wird, wird derzeit durch den Gemeinsamen Bundesausschuss neu bewertet. Die Erfahrungen der letzten sechs Jahre werden dazu dienen, die Methodik weiter zu verfeinern und die Abläufe auch digitaler werden zu lassen. 

Das Neugeborenen-Screening und die damit verbundene detaillierte Genanalyse hat aber auch dazu geführt, dass Screening-Ergebnisse zutage treten, die keine eindeutige Diagnose zulassen. Denn nicht alle der über 2.000 bekannten Genvarianten führen auch zur klinischen Ausprägung der Mukoviszidose. Diese Fälle (CFSPID: CF Screening Positive Inconclusive Diagnosis) werden weltweit gesammelt. Auf Fachtagungen wird diskutiert, welchen Stellenwert sie medizinisch haben. Dr. Jürg Barben aus Basel verdeutlichte, dass sich dabei die Frage stellt, ob davon betroffene Neugeborene überhaupt als Patienten angesehen werden sollten und wie ihre medizinische Versorgung aussehen kann. 

Auffälliges Screening – keine eindeutige Diagnose

Die Erfahrung zeigt, dass ein gewisser Anteil der CFSPID-Betroffenen im Lauf des Lebens die Diagnose Mukoviszidose entwickeln wird, andere werden CF-ähnliche Symptome bekommen, aber die meisten werden als gesunde Menschen leben. Dabei ist allerdings noch unklar, wann eine CFSPID aufhört und wann sie als CF bezeichnet wird. Wichtigstes Anzeichen ist die Veränderung des Schweißchlorids (Konversion) oder die Neueinstufung der diagnostizierten CFTR-Variante. Die bisher bekannten Genvarianten werden in der internationalen Datenbank cftr2.org gesammelt und mit den klinischen Daten der Patienten kombiniert. Eine Neueinstufung entsteht dadurch, dass bisher unauffällige Genvarianten bei neuen Patienten mit Symptomen korreliert werden können. Auch bestimmte Krankheitserreger der Lunge können darauf hinweisen, ob sich die CFSPID in eine CF entwickelt hat. 
Andere diagnostische Methoden (z.B. elektrophysiologische Messungen in der Nase oder der Darmschleimhaut) scheinen bei CFSPID-Kindern prognostisch nicht aussagekräftig zu sein. Für die Betreuung dieser CFSPID-Betroffenen ohne eigentliche Diagnose muss geklärt werden, in welchen zeitlichen Abständen sie in einer CF-Ambulanz vorstellig werden sollten oder ob eine Betreuung durch den Hausarzt ausreichen kann. 

Andere CFTR-bedingte Erkrankungen

Die Möglichkeit, eine CFTR-bedingte Erkrankung (CFTR-Related Disorder) zu entwickeln, ist bei CFSPID-Betroffenen ebenfalls erhöht. Dieses CF-ähnliche Syndrom zeigt sich aufgrund einer Anomalie des CFTR-Gens, erfüllt aber nicht die Kriterien einer CF-Diagnose. Oft fallen einzelne Symptome in der Lunge (z.B. Bronchiektasen), den Nasennebenhöhlen (Rhino-Sinusitis oder Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) auf oder bei Männern auch das angeborene beidseitige Fehlen des Samenleiters. Man geht inzwischen davon aus, dass es einen fließenden Übergang gibt zwischen der Diagnose CF und einem gesunden Menschen.

Lesen Sie dazu unseren MUKOchecker im Mitgliedermagazin 1/22 auf Seite 44:

MUKOinfo Ausgabe 1/2022 herunterladen (PDF)

Daher treten auch bei erwachsenen Menschen immer wieder Fälle auf, die sich CF-ähnlich präsentieren, aber nicht zu einer eindeutigen Diagnose führen, wie Dr. Felix Ringshausen aus Hannover zeigte. Oft zeigen die diagnostischen Methoden und Biomarker wie Schweißtest, genetische Tests oder Potentialmessungen widersprüchliche Ergebnisse, die verdeutlichen, dass die komplexe Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose von einer personalisierten Diagnostik profitiert. 

Lesen Sie dazu auch die 2023 aktualisierte S2k-Leitlinie "Diagnose der Mukoviszidose":

Zur Leitlinie "Diagnose der Mukoviszidose"

Neue Herausforderungen bei der Versorgung erwachsener CF-Patienten

Es gibt nicht nur Menschen, bei denen die Diagnose CF unsicher ist, sondern durch neue Medikamente ändert sich auch bei erwachsenen Menschen mit Mukoviszidose viel: Viele mit CFTR-Modulatoren behandelten Patienten profitieren enorm von dieser Therapie, wie auch die aktuellen Auswertungen des Deutschen Mukoviszidose Registers zeigen. Dr. Sivagurunathan Sutharsan aus Essen trug vor, dass die Effekte auch längerfristig bestehen zu bleiben scheinen und zu einer deutlichen Verbesserung der Lungenfunktion, des Ernährungszustands und der Atemwegs- und Magen-Darm-Symptome führen. Es ist aber offensichtlich, dass weitere Studien erforderlich sind, um die Auswirkungen der Modulator-Therapie auf die Wechselwirkungsprofile von Medikamenten, die Eradikation verschiedener mikrobieller Infektionen, die Fruchtbarkeit, die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten, die Notwendigkeit von Transplantationen und die psychische Gesundheit zu verstehen.

Dass in den letzten Jahren deutlich mehr Frauen mit CF geplante und ungeplante Schwangerschaften erfahren haben, zeigt sich ebenfalls in Registerdaten weltweit, wie Dr. Christina Smaczny aus Frankfurt zeigte. Hier ist nicht nur ein neues klinisches Versorgungsmodell nötig, sondern auch die Erforschung von Arzneimittelrisiken während der Schwangerschaft. Details über die Schwangerschaften, z.B. die Entbindungsart, Anzahl von Fehlgeburten und Informationen über das Kind sollen zukünftig bei den CF-Patientinnen selbst erfragt werden. 

Die Notwendigkeit von Vorsorgeuntersuchungen, die bei CF-Patienten bisher kaum notwendig erschienen, wird auch immer deutlicher. Bedingt durch die längere Überlebensrate und die veränderte Physiologie aufgrund der neuen Medikamente sind inzwischen nicht nur Krebsvorsorge und Herzkreislauf-Check Ups sinnvoll, sondern auch das Screening auf Fettstoffwechselstörungen. Neben Diabetes, Hypertonie und Adipositas entwickelt sich nicht selten das Bild eines metabolischen Syndroms bei CF. Die CF-Erwachsenen-Versorgung sieht daher vielen neuen Herausforderungen entgegen, so Prof. Carsten Schwarz aus Potsdam. 


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