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Antibiotika-Resistenzen: Wirksame Alternativen dringend benötigt

Zunehmende Antibiotika-Resistenzen erfordern intensive Forschung nach wirksamen Alternativen. Foto: Pixabay, Arek Socha.

Zunehmende Antibiotika-Resistenzen erfordern intensive Forschung nach wirksamen Alternativen. Foto: Pixabay, Arek Socha.

Neue Antibiotika oder alternative Ansätze zur Bekämpfung von resistenten Bakterien werden dringend benötigt – nicht nur für die Therapie bei Mukoviszidose. Zunehmende Resistenzen können zu Situationen führen, wo bakteriellen Infektionen nicht mehr einfach durch ein Antibiotikum beizukommen ist.
Zunehmende Antibiotika-Resistenzen erfordern intensive Forschung nach wirksamen Alternativen. Foto: Pixabay, Arek Socha.

Zunehmende Antibiotika-Resistenzen erfordern intensive Forschung nach wirksamen Alternativen. Foto: Pixabay, Arek Socha.

Die Gefahr ist international von Forschern und Medizinern erkannt, ein „Aktionsplan“ wurde bereits 2015 von der WHO (World Health Organization) entworfen und eine systematische Überwachung und Erhebung von Antibiotikagebrauch und Resistenzen eingeführt. 2020 wurde eine internationale Arbeitsgruppe, die „Global Leaders Group on Antimicrobial Resistance“ gegründet und eine Strategie zur Priorisierung der notwendigen Schritte zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen kürzlich veröffentlicht. Kurzum, das Problem ist erkannt und an Lösungen wird international gearbeitet.

Auch in der CF-Forschung ist die Antimikrobielle Resistenz natürlich ein Thema, und auch hier gibt es entsprechende Aktivitäten und Initiativen: In UK wurde 2019 das „CF-AMR Syndicate“ gegründet, eine Initiative die sich darum kümmert, dass neue antimikrobielle Medikamente für die CF-Versorgung möglichst schnell zur Verfügung gestellt werden können:

Auch die Europäischen Patientenorganisationen aus Belgien, Frankreich, UK, den Niederlanden und Deutschland haben das letzte Pre Conference Meeting dem Thema gewidmet und Experten eingeladen, die Probleme und Hürden zu beschreiben und Lösungswege zu diskutieren. Die wichtigsten Inhalte werden voraussichtlich in Kürze in einem Fachjournal veröffentlicht.  

Drei neue Ansätze, an denen Arbeitsgruppen aus Deutschland beteiligt waren, wurden Anfang Juli vom Informationsdienst Wissenschaft (idw) aufgegriffen. Die Idee hinter den Ansätzen beschreiben wir nachfolgend kurz, weitere Details können unter dem entsprechenden idw-Link nachgelesen werden. Auch wenn es sich bei allen Ansätzen zunächst nicht um Untersuchungen an Mukoviszidose-typischen Keimen handelt, sind diese Ansätze interessant, da das Wissen und die Methoden zur Bekämpfung auch auf andere Bakterien übertragbar scheinen.

mRNA – auch ein Molekül mit Potential bei der Bekämpfung von Bakterien

Durch die SARS-CoV-Impfstoffe ist mRNA bekannt geworden. mRNA ist eine Genkopie, die als Vorlage zur Herstellung von Proteinen dient. Doch nicht nur gegen Viren kann man diese Moleküle einsetzen, sie könnten auch eine Rolle bei der Bekämpfung von Bakterien spielen. An sogenannten Präzisionsantibiotika wird in Würzburg geforscht: Eine Kooperation der Universität Würzburg mit dem Helmholtz Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) entwickelt kurze Nukleinsäureketten (Antisense Oligonukleotide, AOS), die ganz spezifisch an die mRNA der bakteriellen Zelle binden. Die mRNA wird so blockiert und kann nicht mehr als Vorlage zur Herstellung eines Proteins genutzt werden. Auf diese Weise können die Forscher zielgenau überlebenswichtige Proteine von Bakterien (hier E. coli) herunterregulieren – bis diese dadurch absterben. Die Schwierigkeit dieses Ansatzes ist, dass die Antisense-Präzisionsantibiotika von den Bakterien aufgenommen werden müssen – das funktioniert zwar, aber nicht unbemerkt. Entsprechend reagieren die Bakterien, sie schlagen Alarm über eine Stress-Antwort, was möglicherweise die Entwicklung von Resistenzen auslösen kann. Damit wären Präzisionsantibiotika als Waffe im Wettrüsten mit den Bakterien auch schnell wieder stumpf. Weitere Anpassungen müssen daher erfolgen, aber daran arbeiten die Arbeitsgruppen auch bereits.

Weitere Informationen zu dem Ansatz:

Zelleigene „Müllabfuhr“ wird therapeutisch genutzt

Ein ebenso spezifischer wie auch innovativer Ansatz wird in einer Deutsch-Österreichischen Kooperation entwickelt. Von deutscher Seite ist hier die Universität Duisburg-Essen involviert.

Die Forscher entwickeln Substanzen, die in einem Molekül verschiedene Aktivitäten mitbringen: Sie binden an bakterielle Proteine und können dort Markierungen anbringen. Die so markierten Proteine werden anschließend von der zelleigenen „Müllabfuhr“, den Proteasen, beseitigt. An solchen Molekülen, den PROTACs (proteolysis targeting chimeras) wird schon seit 20 Jahren geforscht, bislang eher für Entwicklungen zur Anwendung in menschlichen Zellen (z. B. Krebstherapie). Die Substanzen zur Anwendung in Bakterienzellen sind ganz neu, funktionieren eigentlich genauso, setzen allerdings die Bakterien-typischen Signale, so dass die „Müllabfuhr“ der Bakterien darauf reagiert und die Proteine beseitigt. Da sie nur Bakterienproteine markieren können, sind die BacPROTACs für den Menschen ungefährlich. Die ersten BacPROTACs wurden von der Arbeitsgruppe nun zur Bekämpfung von Mykobakterien (Tuberkulose-Bakterium) erfolgreich eingesetzt, und die bakteriellen Proteine konnten gezielt abgebaut werden. Ein möglicher Ansatz zur Entwicklung von neuen antibakteriellen Medikamenten – aber auch ein innovatives Werkzeug für die Grundlagenforschung zur Untersuchung der Funktion von Proteinen – scheint geschaffen.

Weitere Informationen zu dem Ansatz:

Das Andocken von Bakterien an Zellen und Gewebe verhindern

Wenn Bakterien an Zellen des menschlichen Körpers andocken, ist dies der erste Schritt zu einer Infektionskrankheit. Dies zu verhindern könnte helfen, bakterielle Infektionen einzudämmen oder zu vermeiden. Jahrelange Grundlagenforschung konnte zeigen, dass Bakterien an Strukturen auf den Membranen des Wirts andocken. Die Bakterien nutzen sog. Adhäsine auf ihrer Zellmembran und binden damit an Fibronektin, eine Struktur die z.B. auf der Oberfläche von menschlichen Membranen vorkommt.

Eine größere Kooperation von Forschern der Universitäten Frankfurt, Tübingen und Münster, sowie schwedische und norwegische Kooperationspartner haben einen solchen Prozess des Andockens von einem Bakterium (Bartonella henselae) ganz genau entschlüsselt. Sie kennen jetzt die einzelnen Bausteine, über die diese Bakterien an Wirtsmembranen andocken. Mit diesem Wissen planen sie nun den zweiten Schritt: die Suche nach Substanzen, die die Bindestelle blockieren und das Andocken der Bakterien dadurch verhindern. Der Ansatz wäre so auch für andere Bakterien denkbar, denn das Andocken erfolgt bei allen Bakterien ähnlich. Die hier identifizierten einzelnen Bartonella-Bausteine sind aber nicht unbedingt auf andere Bakterien übertragbar, ähnliche Untersuchungen mit anderen krankmachenden Keimen könnten aber nun auch deren Andockmechanismen ans Licht bringen. Dieses Wissen wäre ein erster Schritt, um Therapien zu entwickeln, die das Andocken von Bakterien und damit den Beginn oder die Ausbreitung einer bakteriellen Infektion verhindern. 

Weitere Informationen zu dem Ansatz:

Die oben beschriebenen drei Entwicklungen sind uns kürzlich über den Informationsdienst Wissenschaft aufgefallen und sollen zeigen, dass es durchaus neue spannende Entwicklungen gibt. Viele, viele weitere Ansätze werden derzeit weltweit erforscht, von denen einige hoffentlich zukünftig helfen, das Problem der Antibiotika-Resistenzen zu lösen.

Informationen zu den genannten Aktivitäten der WHO:

In einem aktuellen Podcast des NDR wird die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen laienverständlich erklärt.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Sylvia Hafkemeyer (SHafkemeyer(at)muko.info).


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