Mit genetischen Therapien verbinden die meisten Menschen die Heilung einer genetischen Erkrankung – also eine dauerhafte Korrektur von Gendefekten (Mutationen) auf Ebene des Erbguts, der DNA – und zwar in allen Zellen – und für immer! Eine solche Gentherapie wird seit Jahrzehnten erforscht, führte bei Mukoviszidose bislang aber nicht zum Erfolg. Auf dieser Seite haben wir den aktuellen Forschungsstand zum Thema Gentherapie bei Mukoviszidose für Sie zusammengefasst.
Das hat viele Gründe: Der menschliche Organismus besteht aus Millionen von Körperzellen, die sich in regelmäßigen Abständen erneuern. Eine genetische Therapie müsste eine Vielzahl von Zellen ansteuern oder mindestens die Vorläuferzellen, aus denen sich die spezialisierten Zelltypen regelmäßig erneuern. Dabei muss das Medikament nicht nur die richtigen Zellen erreichen, sondern auch noch bis in den Zellkern gebracht werden und die dort liegende DNA im Gen dauerhaft durch ein funktionierendes Gen ersetzen. Und das alles muss fehlerfrei und zuverlässig erfolgen – bevor eine Gentherapie in eine klinische Anwendung gehen soll!
Ein Ersatz-Gen dauerhaft in den Zellkern einzubringen oder ein defektes Gen im Zellkern zu korrigieren, ist das, was streng genommen unter Gentherapie zu verstehen ist. Inzwischen gibt es aber verschiedene Ansätze, die auch auf Ebene der Gene der ausgereiften Zellen oder deren Kopie, der mRNA ansetzen und vielleicht sogar früher zum Erfolg führen – wenn sie auch keine Heilung für immer versprechen wie eine erfolgreiche Gentherapie im klassischen Sinne. Aus diesem Grund setzt sich auch in der Forschung immer mehr der Ausdruck „Genetische Therapie“ durch, unter dem alle Ansätze zu verstehen sind, die in der Zelle auf dem Weg vom Gen bis zur Proteinherstellung ansetzen. (Wirkstoffe, die hingegen am CFTR-Protein ansetzen, werden als CFTR- Modulatoren bereits therapeutisch verwendet. Die CFTR-Modulatoren ermöglichten die erste „kausale“ Therapie, d. h. die Behandlung der Ursache der Erkrankung und nicht „nur“ die Bekämpfung von Symptomen.)
Dr. Sylvia Hafkemeyer
Forschungsförderung / Registerstudien
Tel.: +49 (0)228 98780-42
E-Mail: SHafkemeyer(at)muko.info
Wirkstoff | Entwicklungsphase | Mutationen | Vektor | Status | Weitere Informationen |
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MRT5005 | Phase 1/2 abgeschlossen | alle | Lipidnanopartikel | aktuell keine weitere klinische Prüfung | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
VX-522 | Phase 1/2 | alle | Lipidnanopartikel | Studie läuft in den USA, Australien, Europa, von Februar 2023 bis März 2025 | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
ARCT-032 (LUNAR-CF) | Phase 1 | alle | Lipidnanopartikel | Studie läuft in Neuseeland von Februar 2023 bis Mai 2024, Phase 2 angekündigt | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
RCT2100 | Phase 1 | alle | Lipidnanopartikel | Studie läuft in Neuseeland, den USA und Europa von Februar 2024 bis August 2024 | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
Wirkstoff | Entwicklungsphase | Mutationen | Vektor | Status | Weitere Informationen |
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SPL84 | Phase 1 abgeschlossen; | 3849+10 kb C->T | ohne Vektor | Phase 2 ist angelaufen | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
OR-010 (Eluforsen) | Phase 1 abgeschlossen | F508del | ohne Vektor | aktuell keine weitere klinische Prüfung | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
Wirkstoff | Entwicklungsphase | Mutationen | Vektor | Status | Weitere Informationen |
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tgAAVCF | Phase 2 in den USA 2003 bis 2005 | alle | AAV (viraler Vektor) | keine Weiterentwicklung | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
pGM169/GL67A | Phase 2b in UK von 2012 bis 2013 | alle | Liposomen | keine Weiterentwicklung | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
4D-710 | Phase 1/2 | alle | AAV (viraler Vektor) | Studie läuft in den USA von März 2022 bis Januar 2027 | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
KB407 | Phase 1 | alle | HSV (viraler Vektor) | Studie läuft in den USA von Juni 2023 bis Juli 2024 | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
SP-101 | Phase 1/2 | alle | AAV (viraler Vektor) | Studie läuft in den USA von Ende August 2024 bis Mitte 2027 | Informationen in Studiendatenbank (engl.) |
BI 3720931 | klinische Studie | alle | Lentivirus | in Vorbereitung |
Laufende Studie Ansatz wird nicht weiterverfolgt geplante Studie
Gelänge es, Mutationen im Gen durch eine fehlerfreie „Reparatur vor Ort“ oder durch den Einbau eines Ersatzgens stabil und sicher im Erbgut vorzunehmen, so könnte man von einer klassischen Gentherapie sprechen, die einer Heilung der Erkrankung gleichkommt. Veränderungen im Erbgut würden dann auch bei Teilung an die Tochterzellen weitergegeben – und auch diese Tochterzellen wären geheilt. Doch im menschlichen Organismus sind die meisten Zellen und auch die des Lungenepithels spezialisierte, ausgereifte Zellen, die selber keine Tochterzellen mehr ausbilden. Eine Korrektur deren Erbguts, d. h. der Gene dieser Zellen, ist demnach nur vorübergehend (transient). Nachwachsende Zellen des Lungenepithels müssten erneut therapiert werden. Es gibt aber auch im ausgewachsenen Organismus selten vorkommende Vorläuferzellen, die teilungsfähig bleiben und aus spezialisierten Zellen für Erneuerungsprozesse (Regeneration von Gewebe) nachwachsen. Für eine dauerhafte Gentherapie bei Mukoviszidose müsste man genau solche Vorläuferzellen finden und erfolgreich behandeln.
Übrigens: Weltweit nicht erlaubt ist die Manipulation des Erbmaterials von Keimzellen (Keimbahntherapie), d.h. die Gentherapie an Ei- oder Spermienzellen oder auch befruchteter Eizellen und Embryos, da solche Gentherapien alle Nachkommen betreffen würden und ethische Bedenken und Sicherheitsaspekte gegen Genmanipulationen an allen Nachfolgegenerationen sprechen.
Dauerhafte genetische Veränderungen im Sinne einer Heilung könnten daher nur an Stammzellen vorgenommen werden, die als Vorläuferzellen dienen und durch Zellteilung andere Körperzellen hervorbringen. Welche Zellen der Lunge bei Mukoviszidose erreicht werden müssen – und vor allem mit welchem Transportmittel (Vektor) – ist noch nicht klar.
Neueste Methoden machen es möglich, dass Forscher Lungengewebe bis auf die Ebene der einzelnen Zellen hinsichtlich ihrer Genaktivität analysieren können, um zu verstehen, welche Gene in den verschiedenen Zelltypen aktiv sind und auch, wie deren Häufigkeit und Ähnlichkeit der Zelltypen zueinander ist. Diese Forschung ist erst in den vergangenen Jahren möglich geworden und CF-relevante Ergebnisse wurden erstmals 2021 auf dem europäischen und dem amerikanischen CF-Kongress veröffentlicht. Die Forscher sprechen von einem Zellatlas, der ihnen hilft, zu verstehen, welche Zelltypen wo und wie häufig vorkommen – und wo das CFTR-Gen gebraucht wird – eine wichtige Voraussetzung für genetische Therapien.
Die Forscher gehen aktuell davon aus, dass für eine langfristigere Heilung in der Lunge die Basalzellen (teilungsfähige Vorläuferzellen) erreicht werden müssen. Sinnvolle Zielzellen für eine vorübergehende Wirkung sind vor allem die vielen sekretorischen Zellen (das sind bereits fertige, ausgereifte Zellen im Lungenepithel), denn diese stellen absolut gesehen das meiste CFTR-Protein in der Lunge her – diese Zellen sterben aber irgendwann ab und damit geht die Wirkung wieder verloren. Ob die erst vor wenigen Jahren entdeckten Ionozyten (sind extrem selten im Lungengewebe zu finden, stellen den CFTR Kanal aber auch in extrem hoher Menge her) eine sinnvolle Zielzelle für eine genetische Therapie darstellen, wird derzeit noch diskutiert.
Für die praktische Anwendung einer genetischen Therapie werden damit gleich ganz andere Anforderungen gestellt: Die sekretorischen Zellen könnten über inhalative Darreichungsformen erreicht werden, die tiefer im Lungengewebe liegenden Basalzellen wären eher über die Blutbahn erreichbar. Eine solche Ansteuerung von Zielzellen ist über verschiedene Transportvehikel, die Vektoren, möglich. Die Entwicklung von Vektoren ist dabei schon wieder ein eigenes Forschungsgebiet, dem sich aktuell viele akademische Forschungsgruppen und verschiedene Firmen widmen (s. u.).
Alle Eingriffe auf Ebene der Gene müssen mit sehr großer Sicherheit fehlerfrei ablaufen, denn es muss unbedingt verhindert werden, dass andere Gene verändert oder krebsverursachende Gene in der Zelle aktiviert werden. Dass langfristig wirkende genetische Therapien aber machbar sind, zeigen Zulassungen bei anderen Erkrankungen (siehe unten).
Die 2015 entdeckten bakteriellen Enzyme CRISPR/Cas sind darauf spezialisiert, Erbgut an vorgesehenen DNA-Bereichen sehr präzise zu schneiden. Molekularbiologen haben das System inzwischen optimiert, indem die Schnittstelle auf der DNA je nach Belieben (und je nach Mutation und Erkrankung) von den Forschern bestimmt werden kann und auch die Art der Reparatur genau gesteuert werden kann. Man spricht hier von Gene-Editing, da die Gene im Erbgut wie Wörter in einem Text korrigiert werden können. Experten entwickelten die Methoden sogar noch weiter und können durch Base-Editing oder Prime-Editing die Genreparatur durch das CRISPR/Cas System noch spezifischer vornehmen lassen.
Die molekularen Werkzeuge für eine Reparatur direkt am Genom im Zellkern werden immer besser und eine solche Therapie an Körperzellen daher immer wahrscheinlicher. Eine Zulassung für eine „Reparatur vor Ort, d. h. im Menschen“ durch die molekulare Schere CRISPR/Cas ist bislang jedoch noch nicht erfolgt, allerdings wurde kürzlich erstmals ein Geneditierungsarzneimittel zugelassen, bei dem „Gene-Editing“ durch CRISPR/Cas an entnommenen Blutzellen angewendet wurde (ex-vivo) und diese korrigierten Zellen dann verabreicht wurden.
Weitere Informationen zum Gene-Editing in einer früheren Newsmeldung
Für Mukoviszidose bräuchte man allerdings aufgrund der vielen verschiedenen Mutationen vermutlich verschiedene Gene-Editing-Medikamente. Verschiedene Ansätze werden derzeit in Europäischen Arbeitsgruppen erforscht, zum Beispiel bei den Mutationen L227R, N1303K, G542X, W1282X, R1158X, R1162X, 17-1G>A, 1585-1G>A.
Eine Lösung, die für alle Mutationen funktioniert (one-fits-all), erscheint aufgrund der über 2.000 verschiedenen CFTR-Mutationen attraktiver und entsprechend wird so eine generelle Lösung zur Behandlung der Mukoviszidose in den USA derzeit bevorzugt vorangetrieben: In einem großen von der Cystic Fibrosis Foundation (CFF) geförderten Konsortium arbeiten Wissenschaft und Industrie an einer Gen-Ersatz-Methode, indem ein sogenanntes „CFTR-Super-Exon“ verwendet werden soll. Das würde dann für alle Patienten passen, egal welche Mutationen vorliegen.
Trotz langjähriger Forschung ist eine solche Genersatz-Therapie bei Mukoviszidose bislang nicht geglückt. Eine Studie des „UK-Gene Therapy Consortium“ veröffentlichte 2015 die Ergebnisse einer zwölfmonatigen Studie, in der in Fettkügelchen (Liposomen) verpackte CFTR-DNA einmal monatlich und für insgesamt ein Jahr inhaliert wurde. Grundsätzlich war das Gentherapeutikum gut verträglich und hat auch eine Verschlechterung der Lungenfunktion verzögert. Dieser Effekt war jedoch nicht ausreichend – vor allem nicht in einer Zeit, in der Modulatoren verfügbar wurden, die messbare Verbesserungen der Lungenfunktion zeigten.
Aktuell sind drei verschiedene DNA-Therapien bei Mukoviszidose in der Entwicklung:
Alle verfolgen den Ansatz, das defekte CFTR-Gen durch eine fehlerfreie Version zu ersetzen. Es werden virale Vektoren als Transportmittel genutzt und inhalative Anwendungen sind im Fokus der Entwicklungen.
Neue Informationen zur Gentherapie in unserem Bericht über den Europäischen CF-Kongress im Juni 2024
Weitere Ansätze (CFTR-Gen auf viralem Vektor) sind in den USA in Planung oder sind sogar schon bei den Behörden zur Durchführung beantragt (CGT-001 von Carbon Biosciences). Und in Europa ist ein Ansatz in der präklinischen Entwicklung, bei dem das CFTR-Gen in einem nicht-viralen Vektor, basierend auf Stammzell-basierten Vesikeln, zu den Zielzellen gebracht werden soll (OS001 von OmniSpirant). Die Zeichen stehen also gut, dass eine genetische Therapie bei Mukoviszidose Realität werden könnte. Die meisten der Entwicklungen werden von der amerikanischen CF-Organisation (CFF) gefördert.
Für andere Erkrankungen sind genetische Therapien in Europa zugelassen, alle basieren auf einem modifizierten Virus (AAV), der mit einem Gen beladen ist und einmalig in Spezialzentren verabreicht werden soll:
Es ist auch möglich, nicht am Original-Gen – also im Zellkern auf Ebene der DNA – anzusetzen, sondern einen Schritt später auf dem Weg vom Gen zum fertigen Genprodukt. Die mRNA ist eine Abschrift des Gens, die aus dem Zellkern heraus transportiert wird und dort als Vorlage zur Herstellung des Proteins genutzt wird. Die CFTR-mRNA trägt also die Anleitung zur Herstellung des CFTR-Kanals. Gelingt es, eine korrekte CFTR-mRNA in die Zellen zu schleusen, sollte dort der fehlende CFTR-Kanal hergestellt und in die Zellmembran eingebaut werden – egal welche Mutation auf der DNA des CFTR-Gens vorliegt.
Klar ist damit aber auch, dass eine mRNA-Therapie bei Mukoviszidose keine „Heilung“ bedeutet, da die als Medikament in die Zelle eingebrachte mRNA relativ schnell wieder abgebaut wird und daher regelmäßig zugeführt werden müsste. Bei Mukoviszidose wäre hier eine Inhalationstherapie denkbar, um die Zielzellen der Lunge zu erreichen. Wie jedoch die Zellen der anderen Organe – und nur der Organe, in denen CFTR gebraucht wird, – erreicht werden können, ist noch nicht klar. Eine mRNA-Therapie zur Behandlung der Lungensymptomatik wäre aber sicherlich schon einmal ein Anfang – aber eben keine lebenslange, vollständige Heilung.
Verschiedene mRNA-Therapien zur Behandlung der Mukoviszidose wurden bereits 2021 auf dem amerikanischen CF-Kongress vorgestellt. Bei den Ansätzen der verschiedenen Firmen ist die CFTR-mRNA in eine Lipidhülle verpackt und soll inhalativ verabreicht werden. Mit dem Wirkstoff MRT5005 (CFTR-mRNA, verpackt in Lipidnanopartikel und als Aerosol inhalierbar) der Firma TranslateBio wurde bereits eine klinische Studie durchgeführt. Die Ergebnisse sind allerdings etwas ernüchternd: Es wurde von einem akzeptierbaren (d.h. nicht nebenwirkungsfrei, aber mit vertretbaren Nebenwirkungen) Sicherheitsprofil gesprochen, eine Verbesserung der Lungenfunktion wurde nicht gesehen. Der Wirkstoff wird nicht weiterentwickelt.
Es gibt jedoch weitere CFTR-mRNA-Medikamente in der Entwicklung: Die Firmen, Arcturus Therapeutics, Vertex/Moderna und ReCode Therapeutics haben bereits mRNA-Entwicklungen zur Behandlung der Mukoviszidose in der klinischen Erprobung.
Es muss nicht unbedingt eine neue vollständige mRNA in die Zelle eingebracht werden, sondern die fehlerhafte mRNA kann auch vor Ort manipuliert werden, so dass der Fehler sich in der nachfolgenden Herstellung des CFTR-Proteins nicht mehr auswirkt. Das ist zum Beispiel bei Mukoviszidose durch den Wirkstoff QR-010 (Eluforsen) u. a. auch in Deutschland untersucht worden. Dabei handelt es sich um ein Anti-Sense-Oligonukleotid, ASO, (eine kurze Sequenz von Nukleinsäuren), die an die mRNA von Patienten mit der F508del-Mutation bindet und dadurch eine Korrektur bei der CFTR-Protein-Herstellung bewirken soll.
Die Verträglichkeit und Sicherheit des inhalativen Eluforsen war gut, und die Mukoviszidose-Patienten in der Studie spürten auch eine leichte Verbesserung. Große klinische Studien zur Wirksamkeit wurden aber nicht durchgeführt und die amerikanische CF-Organisation, die die klinische Forschung bislang unterstützt hatte, scheint den Ansatz vorerst nicht weiter zu verfolgen.
Aktuell verfolgt die Firma Splisense Ansätze zur Behandlung der Mukoviszidose und ist mit SPL84 in der klinischen Forschung angelangt:
Aber noch weitere ASOs werden erforscht. Auf dem ECFS Basic Science Kongress 2023 wurden von einer italienischen Arbeitsgruppe präklinische Ergebnisse ihrer ASO-Entwicklungen für die Behandlung der Stopp-Mutationen W1282X und G542X vorgestellt.
Bei Stopp-Mutationen (Nonsense-Mutation) ist noch ein weiterer Ansatz auf mRNA-Ebene möglich. Dabei bewirken die Substanzen, dass fehlerhafte Stopp-Signale, die durch seltene CFTR-Mutationen verursacht werden, einfach bei der Herstellung des Proteins überlesen werden.
Ataluren (in CF Studien auch als PTC-124 bekannt) wurde als solch ein Read-Through-Medikament für Mukoviszidose untersucht, führte aber leider nicht zum Erfolg. Dass der Ansatz funktionieren kann, ist bewiesen: Ataluren wurde 2014 bei Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie, bei denen eine Stopp-Mutation vorliegt, zugelassen (Translarna®). Die Patienten müssen das Medikament mehrmals täglich oral einnehmen, um eine Verbesserung der Symptome zu spüren – von einer richtigen „Heilung“ kann man also auch hier, wie für einen mRNA-Ansatz nachvollziehbar, nicht sprechen.
Ein ähnlicher Ansatz wurde kürzlich für Mukoviszidose mit dem Wirkstoff ELX-02 zur Behandlung der sehr seltenen Stopp-Mutationen (G542X) in einer klinischen Studie untersucht. Im September 2022 bestätigte die Firma Eloxx in einer Pressemeldung eine gute Verträglichkeit, aber leider keine signifikanten klinischen Verbesserungen. Dabei wurde die Substanz auch in Kombination mit Ivacaftor untersucht, um die Aktivität zu erhöhen.
Beide Wirkstoffe, ELX-02 und PTC-124, werden eher als Modulator verstanden, sie wirken zwar auf Ebene der mRNA (Genkopie), bestehen jedoch nicht aus Nukleinsäuren (Bausteine der DNA und RNA) und zählen daher auch per Definition des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nicht zu den Gentherapeutika.
In dem vom Mukoviszidose e.V. geförderten Projekt widmet sich Dr. Suki Albers aus Hamburg ebenfalls den Stopp-Mutationen. Sie arbeitet an einem etwas anderen Ansatz, durch den ebenfalls ein Durchlesen fehlerhafter Stopp-Codons erreicht werden soll, ihr Ansatz ist jedoch besonders spezifisch hinsichtlich der Bindung an die mRNA und soll dadurch vermeiden, dass ein Durchlesen auch an echten Stopp-Signalen erfolgt – was natürlich zu Schäden an anderen Proteinen in der Zelle führen könnte.
Die Zukunft werden wohl eher verschiedene, vielleicht sogar patientenindividuelle Kombinationstherapien sein, die auf genetischer Ebene bewirken, dass das CFTR-Gen abgelesen und ein CFTR-Protein produziert wird und Modulatoren dafür sorgen, dass das CFTR-Protein richtig reift und/oder aktiviert wird.
Lesen Sie hierzu auch unsere Zusammenfassung vom Nordamerikanischen CF-Kongress 2022:
Zur Zusammenfassung der Ergebnisse des Nordamerikanischen CF-Kongresses 2022
Die oben beschriebenen Ansätze setzen entweder direkt am Erbmaterial im Zellkern, der DNA, oder aber in der Zelle auf Ebene der Gen-Kopie, der mRNA, an. Aber wie kommen die Gentherapeutika dorthin, wenn die Therapie in vivo, d. h. direkt am Menschen angewandt werden soll? Es müssen die Organe und Zellen angesteuert werden, in denen das Genprodukt eine Rolle spielt, andere Organe und Zellen hingegen sollen verschont bleiben. Das Medikament muss durch die Zellmembran – und vielleicht sogar bis in den Zellkern gelangen. Und auch die inhalative Verabreichung ist nicht einfach, schließlich ist die Lunge ein Organ, welches auf die Abwehr von Fremdstoffen – und damit auch Viren, beladen mit einem CFTR-Gen – spezialisiert ist. Und bei Mukoviszidose stellt die Schleimschicht ein zusätzliches Problem dar.
Die Wissenschaft hat während der langen Zeit, in der an Gentherapien schon geforscht wird, verschiedene „Genfähren“ – auch „Vektoren“ genannt – entwickelt. Sie bedienten sich dabei zum Beispiel bei Viren, die von Natur aus bestimmte Organe und Zellen ansteuern. Der Nachteil ist, dass Viren, wie zum Beispiel die Adenoviren, zwar gezielt die Lungenzellen ansteuern, aber vom menschlichen Immunsystem bekämpft werden und spätestens bei wiederholten Verabreichungen nicht mehr richtig funktionieren. Adenoassoziierte Viren (AAV) sind für wiederholte Verabreichungen schon besser geeignet, haben aber eine begrenzte „Ladefläche“ und das ganze CFTR-Gen ist dafür einfach zu groß. Daher nutzen aktuelle Entwicklungen eine verkürzte CFTR-Gen Version (Entwicklung 4D-710). Da AAV sich nicht in das Genom integrieren sollen, ist eine wiederholte Verabreichung für eine anhaltende Wirkung notwendig.
Vektoren auf Basis der Lentiviren sind deutlich weniger immunogen als AAV, können also wahrscheinlich wiederholt verabreicht werden, da sie keine oder nur eine schwache körpereigene Immunantwort auslösen (immunogene Vektoren würden hingegen bei der erneuten Verabreichung von der körpereigenen Immunantwort bekämpft). Außerdem haben sie eine große „Ladekapazität“, so dass das gesamte CFTR-Gen "verpackt" werden kann. Lentiviren integrieren sich stabil in das Genom, was eine Voraussetzung ist, wenn eine Gentherapie im klassischen Sinne, d. h. für immer und auf DNA-Ebene erreicht werden soll. Die Entwicklung BI 3720931 basiert auf diesem Vektor.
Relativ neu in der CF-Forschung wird HSV (Herpex Simplex Virus) als Vektor untersucht. Auch dieser Vektor kann das gesamte CFTR-Gen transportieren (Entwicklung KB407). Der Vektor soll sich nicht in das Genom integrieren, d. h. auch hier wäre dadurch wiederholte Verabreichung sinnvoll. Bei diesem Vektor weiß man noch nicht, wie gut er bei Lungenzellen funktioniert, denn er ist eigentlich auf Hautzellen spezialisiert.
Die für Gentherapien entwickelten Viren gleichen immer weniger ihrem natürlichen Vorbild, sie werden genetisch soweit verändert, dass sie nur noch auf die Transportfunktion begrenzt werden und die „Ladung“ abgeben, eine Vermehrung der Viren in den Zellen hingegen wird unterbunden.
Molekularbiologische Methoden ermöglichen es den Forschern, sich am Baukasten der Natur zu bedienen und Vektoren zu bauen, die die Gentherapeutika (und andere Medikamente oder Impfstoffe) verpacken und an den Zielort bringen. Auch kleinste Fettkügelchen eignen sich als Transportmittel. Ein solch universell verwendbares Transportmittel hat beispielsweise Professor Joseph Rosenecker in Kooperation mit anderen Forschern entwickelt und wurde dafür 2021 durch den Mukoviszidose e.V. mit dem Adolf-Windorfer-Preis geehrt (vgl. Forschungs-News zu den liposomalen Nanopartikeln als Genfähren).
Als ganz neue Transportmittel werden nun Lipid-Vesikel und extrazelluläre Vesikel untersucht. Diese sind den natürlichen Zellen abgeschaut und können eigentlich alles transportieren, mRNA, DNA, Proteine oder andere therapeutische Substanzen/Medikamente. Es gibt verschiedene Firmen (z. B. OmniSpirant, Gensaic, RecodeTherapeutics, Carmine, Nosis Bio, Nanite), die an genetischen Therapien zur Behandlung der Mukoviszidose arbeiten, die sich allein auf die Transportmittel, die Vektoren spezialisiert haben, denn das gezielte Ansteuern der Zellen, in denen der gentherapeutische Ansatz wirken soll, ist vielleicht die noch größte Hürde derzeit. Die Wirksamkeit einer genetischen Therapie wird nicht erreicht, wenn die Zielzellen nicht erreicht werden. Die Sicherheit ist nicht gegeben, wenn falsche Zellen angesteuert werden, z. B. Zellen, die keinen CFTR-Kanal benötigen und dieser kann dort daher sogar schädlich sein.
Kurzpräsentation zum Thema Vektoren in der Gentherapie (bitte auf die Bilder klicken)
Rückblickend erscheint der Enthusiasmus, der mit der Entdeckung des CFTR-Gens 1989 aufkam und die Gentherapie innerhalb von zehn Jahren versprach, sicherlich etwas naiv. Aber eben nur rückblickend, denn die vielen Jahre der Forschung haben die wirklichen Hürden auf dem Weg zur genetischen Therapie erst nach und nach sichtbar gemacht. Zum Glück sind aber viele dieser Hürden auch schon überwunden und die Machbarkeit der genetischen Therapie ist an anderen Erkrankungen durch zugelassene Medikamente gezeigt. Das nun verfügbare Mukoviszidose-spezifische Wissen und die neuen molekularbiologischen Werkzeuge lassen vielleicht nun das Licht am Ende des Tunnels erkennen. Auf den CF-Kongressen wird immer wieder betont, dass solange geforscht und entwickelt werden soll, bis die Abkürzung CF für „Cure found“ steht und Mukoviszidose endlich für alle heilbar wird.
Die Begriffe sind unklar? Eine Erklärung gibt der muko.checker in unserem Mitgliederjournal muko.info im Heft 4/21.
Die Inhalte auf dieser Seite wurden zuerst im Dezember 2021 erstellt.