Der Mukoviszidose e.V. vergibt den Adolf-Windorfer-Preis seit 1987. Auf dieser Seite finden Sie eine Übersicht der Preisträger der letzten Jahre.
Zu den Möglichkeiten einer genetischen Therapie bei Mukoviszidose wird aktuell an verschiedenen Universitäten geforscht, ein besonders vielversprechender Ansatz ist der von Dr. Suki Albers-Fomenko (Universität Hamburg). Die Wissenschaftlerin und ihre Arbeitsgruppe haben Patienten mit den seltenen CFTR-Nonsense-Mutationen im Fokus und forschen zum Einsatz veränderter tRNAs zur zielgerichteten Korrektur dieser Mutationen. Für diese innovative Arbeit, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature publiziert wurde, zeichnet der Mukoviszidose e.V. Suki Albers-Fomenko stellvertretend für die Autorengruppe mit dem diesjährigen Adolf-Windorfer-Preis aus.
Nonsense-Mutationen bewirken über ein Stopp-Signal (Terminationscodon) an falscher Stelle eine vorzeitige Beendigung der Proteinherstellung bei der Ablesung des Protein-codierenden Gens. Im Fall der Mukoviszidose führt eine solche Mutation, die rund fünf Prozent der Betroffenen in Deutschland tragen, zu einem vorzeitigen Abbruch der CFTR-Herstellung, sodass es nicht ausreichend aktive CFTR-Kanäle in der Zellmembran gibt. Daher profitieren Mukoviszidose-Patienten mit zwei Nonsense-Mutationen nicht von der CFTR-Modulatortherapie.
Im aktuellen Projekt stellt die Arbeitsgruppe um Suki Albers-Fomenko eine Strategie vor, bei der natürliche tRNAs (Transfer-RNA) so modifiziert wurden, dass sie falsche Stopp-Signale im CFTR-Gen erkennen und überlesen. Diese sogenannten Suppressor tRNAs konnten mithilfe von Lipidnanopartikeln (LNPs) intratracheal oder intravenös Mäusen verabreicht werden und führten zur Produktion eines vollständigen CFTR-Proteins trotz einer Nonsense-Mutation. Ein wichtiges Ergebnis war hierbei, dass kein Überlesen von echten Stopp-Signalen beobachtet werden konnte, ein essenzieller Aspekt hinsichtlich der Sicherheit solcher „Read-Through“-Therapien. Auch in Zellsystemen (hier Untersuchungen der CFTR-Mutationen S466X, R533X und R1162X) und an Nasenepithelzellen von Menschen mit Mukoviszidose (mit R1162X-Mutation) wurden die modifizierten tRNAs untersucht. Hierbei führten die Suppressor tRNAs zu einer Produktion und Funktion von CFTR, die über dem therapeutischen Schwellenwert liegt.
Die in der Arbeit publizierten Ergebnisse zeigen, dass tRNA-basierte Therapien für ein gezieltes Überlesen von Nonsense-Mutationen bei Mukoviszidose und anderer durch Nonsense-Mutationen verursachter genetischer Erkrankungen grundsätzlich funktionieren können und ein hohes Maß an Sicherheit im Hinblick auf die Beachtung echter Stopp-Signale liefern. Da die Korrektur von Nonsense-Mutationen an verschiedenen Stellen innerhalb des CFTR-Gens den Einbau unterschiedlicher Aminosäuren erfordert, werden dafür maßgeschneiderte tRNAs entwickelt, die die mutierte Aminosäure ersetzen. Der tRNA-Therapieansatz kann daher individuell und mutationsspezifisch angewendet werden.
Dr. Simon Gräber (Charité – Universitätsmedizin Berlin) beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit den funktionalen Messungen der CFTR-Aktivität bei Menschen mit Mukoviszidose und hat in der Vergangenheit daran mitgearbeitet, verschiedene Messmethoden in der klinischen Mukoviszidose-Versorgung und Forschung zu etablieren. Aktuell forscht er intensiv zu den Auswirkungen der Dreifachtherapie auf die Funktion des CFTR-Kanals. Für aktuelle Arbeiten auf diesem Gebiet, die Gräber in enger Kooperation mit anderen Mukoviszidose-Zentren durchgeführt hat, zeichnet der Mukoviszidose e.V. Gräber stellvertretend für die Autorengruppe mit dem Adolf-Windorfer-Preis 2023 aus.
Die aktuelle Forschungsarbeit von Gräber und der Arbeitsgruppe beantwortet wichtige Fragstellungen zur Wirkung der Dreifachtherapie (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor – ETI, Kaftrio) in der „Real Life“-Situation, d. h. nach Zulassung. Für diese Beobachtungsstudie wurde multizentrisch zusammengearbeitet, sodass insgesamt 107 Studienteilnehmer aus Zentren des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) in Berlin, Hannover, Gießen und Heidelberg gewonnen werden konnten, bei denen vor und acht bis 16 Wochen nach Beginn einer ETI-Therapie verschiedene Untersuchungen durchgeführt wurden. Dabei wurde sowohl auf die klinischen Parameter der Lungenfunktion (FEV1%) und BMI (Body Mass Index) geschaut, als auch zusätzliche Methoden zur direkten Messung der CFTR-Kanalaktivität als Biomarker durchgeführt: die nasale Potentialmessung (nPD) an der Nasenschleimhaut und intestinale Kurzstrommessung (intestinal current measurement, ICM) an Darmepithelzellen.
Von den 107 Studienteilnehmern waren 52 F508del-homozygot und 55 Betroffene F508del-heterozygot mit einer Minimalfunktionsmutation. Die Verbesserung der klinischen Parameter FEV1 und BMI lagen bei den Gruppen in der Größenordnung wie sie auch zuvor in den klinischen Studien vor der Zulassung gezeigt wurden. Die Messungen der CFTR-Kanalaktivität bei den homozygoten Patienten zeigte, dass die CFTR-Funktion in der nPD bis zu 47,4% und in der ICM bis zu 45,9% an CFTR-Aktivität im Vergleich zu Gesunden erreicht. Bei Heterozygoten sind die Zahlen ähnlich: bis zu 46,5% für die nPD und bis zu 41,8% in der ICM-Messung.
Die Korrelation der klinischen Parameter FEV1 und BMI nach kurzfristiger Therapie mit nPD und ICM war hingegen eher gering, sodass die Autoren von einer begrenzten Empfindlichkeit der klinischen Parameter FEV1 und BMI für die Erkennung des Ansprechens auf CFTR-Modulatoren auf Ebene des zugrundeliegenden Defekts, der fehlerhaften CFTR-Aktivität, sprechen.
Diese systematische Studie zeigt, dass die Therapie mit Kaftrio die CFTR-Funktion im Nasenepithel und in den Zellen der Darmschleimhaut deutlich erhöht und die verwendeten Methoden zur Untersuchung des Ansprechens auf Modulatoren auf Ebene des CFTR-Kanals sehr gut geeignet sind. Die Daten zeigen aber auch, dass die Modulatoren auf die Verbesserung der CFTR-Funktion einen sehr ähnlichen Effekt haben, egal ob zwei oder nur eine F508del-Mutation vorliegen. Darüber hinaus kann man aus den Daten schließen, dass durch Kaftrio nicht das Level an CFTR-Aktivität von Gesunden erreicht wird. Demnach schöpft auch Kaftrio möglicherweise noch nicht das ganze therapeutische Potential aus und weitere Therapie-Entwicklungen für Menschen mit Mukoviszidose sind notwendig.
Eine strahlungsfreie Diagnostikmethode für Mukoviszidose-Betroffene und andere Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen zu etablieren, ist seit 2009 ein wichtiges Ziel der Arbeitsgruppe um Prof. Mark Oliver Wielpütz, Universitätsklinikum Heidelberg, Mitglied im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL). Der Einsatz der Magnetresonanztomographie (MRT) in der Mukoviszidose-Lungendiagnostik wurde von den Wissenschaftlern u.a. durch Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) weiterentwickelt und im Vergleich zu anderen bildgebenden Verfahren und Methoden der Lungenfunktionsdiagnostik validiert. Für diese umfassenden Arbeiten zeichnet der Mukoviszidose e.V. Wielpütz mit dem diesjährigen Adolf-Windorfer-Preis aus.
Für eine erfolgreiche Therapie der Lungenschädigung bei Mukoviszidose ist eine frühzeitige Diagnose des Krankheitsfortschritts unerlässlich. Doch gerade bei jungen Patienten und Patienten unter CFTR-Modulatortherapie sind die etablierten Methoden zur Lungenfunktionsprüfung, z.B. mittels Spirometrie, nur bedingt geeignet, da bei ihnen in der Lungenfunktionsmessung Verschlechterungen oft nicht sofort erkennbar sind. Ein normales, bzw. unverändertes Ergebnis in der Lungenfunktionsmessung bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass die Erkrankung nicht fortschreitet.
In Studien konnte die Arbeitsgruppe Wielpütz demonstrieren, dass mittels MRT frühzeitig auch subtile Veränderungen in der Struktur der Lunge und ihrer Perfusion (Durchblutung) bei Mukoviszidose-Patienten aufgespürt werden können. Darüber hinaus haben die Wissenschaftler gezeigt, dass es möglich ist, an spezialisierten Mukoviszidose-Zentren ein standardisiertes MRT-Protokoll anzuwenden und damit eine vergleichbare Bildqualität zu erzielen – ein wichtiger Schritt in Richtung Etablierung des MRT als Instrument der Routineuntersuchung von CF-Patienten.
Um die Auswertung der MRT-Bilder zu optimieren und zu automatisieren, haben Wielpütz und Kollegen sie mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz weiterentwickelt. In einem über die Forschungsförderung des Mukoviszidose e.V. finanzierten Projekt etablierten sie ein computergestütztes Auswertesystem, das unabhängig vom menschlichen Betrachter verlässlich und genau die Schwere der Lungenerkrankung auf MRT-Aufnahmen misst. Ziel war es, ein Neuronales Netzwerk (CNN) für das vollautomatische Scoring von Lungendurchblutungsstörungen (Perfusionsstörungen) im MRT von Mukoviszidose-Patienten aller Altersgruppen zu trainieren.
Dieses System ermöglicht künftig auch die vergleichende Analyse großer Datenmengen von vielen verschiedenen Patienten, was neue Erkenntnisse in der Erforschung der Lungenerkrankung bei Mukoviszidose verspricht. Zudem könnte das Verfahren zur Auswertung von MRT-Aufnahmen auch bei Medikamentenstudien eingesetzt werden, um den Therapieerfolg leichter messbar zu machen. Für den einzelnen Mukoviszidose-Patienten besteht der Nutzen darin, relativ schnell einen verlässlichen Zahlenwert zur Schwere seiner Lungenerkrankung zu erhalten. So kann er über mehrere MRT-Messungen hinweg vergleichen, ob seine Therapie wirksam ist oder ob Änderungen in seinem Therapieschema angezeigt sind.
Eine Gentherapie für die Behandlung der Mukoviszidose zu entwickeln, ist eines der großen Ziele der Arbeitsgruppe um Prof. Joseph Rosenecker, Universitätsklinikum München. Die von den Wissenschaftlern entwickelte Genfähre, mit der der stabile Einbau eines CFTR-Gens in Lungenzellen von CF-Mäusen gelungen ist, könnte sie diesem Ziel einen Schritt näher bringen. Für die umfassende Forschungsarbeit, an der auch Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover beteiligt waren, zeichnet der Mukoviszidose e.V. Rosenecker mit dem diesjährigen Adolf-Windorfer-Preis aus.
Die Idee der Arbeitsgruppe ist innovativ und könnte die Gentherapie – nicht nur bei Mukoviszidose – voranbringen: Ausgangspunkt der Wissenschaftler ist eine Art Baukastensystem, aus dem sie verschiedene natürliche und nanotechnologische Komponenten zu einer Genfähre zusammengesetzt haben, die genetisches Material (DNA oder Boten-RNA (mRNA)) effizient verpackt und an den Wirkungsort transportiert.
Hierfür wird das zu transportierende Genmaterial komprimiert und gesichert im Innern des Genträgers verstaut. Nach außen trägt die Genfähre Anker- und Signalmodule und sorgt damit dafür, dass sie an Zielzellen andocken, mit der Zellmembran verschmelzen und das Transportgut in der Zelle an den Ort des Geschehens bringen kann. Für mRNA reicht hier der Eintritt in die Zelle, DNA muss sogar noch weiter in den Zellkern gebracht werden – auch das geht je nach Auswahl der Bauteile der Genfähre. Für die Einbringung von RNA gilt, dass die Wirkung vorübergehend ist, DNA hingegen kann auch stabil in das Genom eingebaut und damit an Tochterzellen weitergegeben werden.
In der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“ beschreiben die Autoren eine mögliche Verwendung des universell einsetzbaren Baukasten-Genträgers in der Mukoviszidose-Therapie: Transportiert wird im Genträger eine gesunde Kopie des CFTR-Gens, eingebettet in ein natürliches „springendes Gen“ (=Transposon), und dazu auch gleich ein passendes Werkzeug (mRNA für Transposase), welches das CFTR-Gen in das Genom stabil und an sicherer Stelle einbauen soll. Das CFTR-Gen soll damit dauerhaft in der Zelle bleiben, das Werkzeug nur vorübergehend, es wird nach kurzer Zeit abgebaut, so dass weitere Gen-Umbauten verhindert werden.
Dieser Gentherapie-Ansatz wurde im CF-Mausmodell bereits erfolgreich getestet. Es konnte nachgewiesen werden, dass das mit der Genfähre in die Zelle geschleuste CFTR-Gen bewirkt, dass der CFTR-Kanal gebildet wird, das entsprechende Eiweiß konnte in Gewebeproben nachgewiesen werden. Für eine Gentherapie bei Mukoviszidose haben die Forscher damit wichtige Grundsteine gelegt und die Machbarkeit im Tiermodell gezeigt. Aufgabe weiterer Forschungsarbeiten wird es nun sein, die Sicherheit dieses gentherapeutischen Ansatzes zu zeigen, denn ein falscher Einbau von DNA in das Genom kann schwerwiegende Folgen haben und muss ausgeschlossen werden.
In dieser Publikation werden die Ergebnisse der u. a. vom Mukoviszidose e.V. geförderten Diabetes-Studie veröffentlicht. Die Studie wurde zwischen 2001 und 2011 gemeinsam von Professor Dr. Manfred Ballmann, Rostock, und Professor Dr. Reinhard Holl, Ulm, durchgeführt. In der Studie ging es darum, zwei verschiedene Therapien bei Mukoviszidose-Patienten mit einem neu-diagnostizierten Diabetes hinsichtlich der Wirkung zu vergleichen: das orale Anti-Diabetikum Repaglinide, welches 3 x täglich als Tablette eingenommen werden muss, und Insulin, welches 3 x täglich über eine Spritze injiziert werden muss.
Insgesamt waren an dieser multizentrischen und internationalen Studie 49 CF-Zentren in Österreich, Frankreich, Italien und Deutschland involviert. Mukoviszidose-Patienten (ab zehn Jahren) wurden regelmäßig hinsichtlich eines Diabetes untersucht (Oraler Glucose-Toleranz Test; OGTT) und nur Patienten mit einem neu-diagnostizierten Diabetes im Studienzeitraum konnten an der Studie teilnehmen. Insgesamt konnten so 75 Patienten aus 30 verschiedenen Zentren in die Studie eingeschlossen werden. Die Studienmedikation – Repaglinide oder Insulin - wurde nach Berücksichtigung verschiedener krankheitsspezifischer und altersspezifischer Einflussfaktoren nach dem Zufallsprinzip zugeteilt (34 Patienten erhielten Repaglinide und 41 Patienten Insulin). Die individuelle Studiendauer betrug insgesamt 24 Monate, und als primärer Zielparameter diente der Blutzuckerwert HbA1c, als sekundäre Zielparameter wurden klinische Parameter wie Lungenfunktion und Body-Mass-Index (BMI) gemessen. Die Patienten wurden alle drei Monate in ihrem CF-Zentrum untersucht, darüber hinaus wurden von den Patienten monatlich Blutzuckerwerte dokumentiert.
Die Studie konnte zeigen, dass bei Mukoviszidose-Patienten, älter als zehn Jahre und mit einem neu-diagnostizierten Diabetes eine anti-diabetische Therapie mit dem oralen Anti-Diabetikum Repaglinide genauso gut wirksam ist, wie die Insulintherapie durch tägliche Injektionen. Mukoviszidose-Patienten mit neu-diagnostiziertem Diabetes könnte nach diesen Studien-Ergebnissen die weniger invasive orale Therapie demnach genauso gut helfen wie die Insulin-Injektionen. Die Therapielast und Lebensqualität könnte dadurch für Mukoviszidose-Patienten verbessert werden.
Weitere Details zu der Studie und Links zu Fachpublikationen sind in der Datenbank für klinische Studien unter der Nummer NCT00662714 zu finden.
Die durchgeführten Untersuchungen klären einen bislang therapeutisch nicht genutzten Zusammenhang in dem CF-Krankheitsgeschehen auf. Die Arbeitsgruppe Gulbins/Grassmé am Institut für Molekularbiologie an der Universität Duisburg-Essen erforscht bereits seit einigen Jahren die Rolle von bestimmten Fettmolekülen in Zellmembranen (Membran-Lipide, und zwar Sphingolipide). Eine veränderte Regulation des Sphingolipid-Stoffwechsels scheint im Zusammenhang mit pulmonalen Entzündungen und Infektionen zu stehen. Schon vor einiger Zeit konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass das Sphingolipid Ceramid sich als Ceramid-Plaques in Zellmembranen von CF-Patienten anreichert und damit ein Entzündungsgeschehen und das Absterben von Zellen einhergeht. Verschiedene klinische Studien zur Verhinderung der Ceramid-Akkumulationen sind bereits in der Erprobungsphase am Patienten (z. B. das bereits für andere Erkrankungen zugelassene Medikament Amitriptilyn).
In der nun publizierten Arbeit deckt die Arbeitsgruppe einen neuen und interessanten regulatorischen Zusammenhang zwischen Sphingolipiden in der Atemwegsmembran und der Abwehr von Bakterien auf: An Zellen der Luftwege von CF-Patienten und in geeigneten Mausmodellen konnte gezeigt werden, dass sich in den Ceramid-Plaques ein bestimmtes Oberflächenprotein (β1-Integrin) ungewöhnlich stark anreichert. Diese atypische „β1-Integrin-Akkumulation“ kam hingegen bei gesunden Menschen und in Kontroll-Mäusen nicht vor. β1-Integrin wirkt hemmend auf das Enzym „Saure Ceramidase“, so dass der Umbau von Ceramid zu dem für die Abwehr von Bakterien wichtigen Membranlipid Sphingosin verhindert wird. Das Membranlipid Sphingosin, so zeigte die Arbeitsgruppe bereits in früheren Arbeiten, ist an der Abwehr verschiedener Bakterien (Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus u. a.) beteiligt und in den Atemwegen von gesunden Menschen normalerweise immer nachweisbar, jedoch nicht bei Mukoviszidose-Patienten oder in CF-Mausmodellen.
Mit der nun publizierten Arbeit wird erstmals der Zusammenhang eines fehlerhaften Sphingolipid-Stoffwechsels sowohl auf das Entzündungsgeschehen als auch auf die bakterielle Abwehr untersucht und hinsichtlich des Krankheitsgeschehens bei Mukoviszidose aufgeklärt. Daraus ergeben sich möglicherweise verschiedene Therapieoptionen bei Mukoviszidose: Abbau von β1-Integrin durch anti-β1-Integrin Antikörper, die Normalisierung der Ceramid Konzentration durch die Hemmung der Ceramid-Bildung (z. B. Amitriptylin), die inhalative Verabreichung von Sphingosin oder die Aktivierung des enzymatischen Ceramid-Umbaus zu Sphingosin.
Im Rahmen der Jahrestagung des Mukoviszidose e.V. 2018 wurde Dr. Mirjam Stahl, aus der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Marcus Mall der Adolf-Windorfer-Preis 2018 verliehen.
Die Arbeit, die nun mit der Verleihung des Adolf-Windorfer- Preis gekrönt wurde, begann 2015, als sich die junge Ärztin aus der CF-Ambulanz der Universitätsklinik in Heidelberg erfolgreich um die Nachwuchsförderung des Mukoviszidose e.V. bewarb. Die damit verbundene finanzielle Unterstützung des Mukoviszidose e.V. nutzte Dr. Stahl, um eine klinische Studie zu planen und durchzuführen. In dieser Studie untersuchte sie zwei verschiedene Methoden der Lungendiagnostik, um herauszufinden, ob diese Methoden geeignet sind, sehr frühe Veränderungen in der Lunge von CF-Patienten sichtbar zu machen.
Gerade bei Säuglingen und Kindern im Vorschulalter ist eine Messung der FEV1 durch Spirometrie noch nicht (immer) möglich bzw. die Ergebnisse sind unauffällig, obwohl in bildgebenden Verfahren bereits krankhafte Veränderungen in der Lunge sichtbar sind. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass der Lung Clearance Index (LCI, der LCI Wert wird bestimmt, indem die Atemzüge gezählt werden, die benötigt werden, um ein zuvor eingeatmetes Gas wieder vollständig auszuatmen) und das Thorax-MRT in der Lage sind, frühe Veränderungen der CF-Lungenerkrankung zu erkennen. Bislang wurden diese Methoden jedoch nicht systematisch verglichen, sodass ihre Beziehung zueinander unklar ist. Aus diesem Grund hat Dr. Stahl in einem Querschnittansatz untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen dem LCI und Auffälligkeiten im MRT der Lunge gibt. Sie untersuchte außerdem ob diese Verfahren geeignet sind, das Ansprechen auf eine antibiotische Therapie zur Behandlung einer Infektion der Lunge sichtbar zu machen.
Die Ergebnisse diese Studie wurden in der mit dem Windorfer-Preis geehrten Arbeit veröffentlicht: Dr. Stahl konnte in ihrer klinischen Untersuchung zeigen, dass bei 96 Kindern mit CF jeden Alters die Veränderungen im MRT mit der Höhe des LCI (je höher der LCI-Wert, desto auffälliger) korrelieren. Außerdem war es möglich, sowohl mit dem LCI als auch mit dem Lungen-MRT Kinder mit milderer CF-Lungenerkrankung (kein chronischer Pseudomonas aeruginosa-Nachweis; normale Lungenfunktion) von solchen mit schwererer Lungenbeteiligung zu unterscheiden. Außerdem gelang es sowohl mit dem LCI als auch mit dem MRT, frühe Veränderungen in der Lunge zu erfassen und auch das Ansprechen auf eine antibiotische Therapie zu detektieren.
Die Ergebnisse von Dr. Stahl sprechen also dafür, dass sowohl der LCI als auch das Lungen-MRT nützliche Messmethoden für die klinische Beurteilung der Lunge von jungen CF-Patienten und auch für klinische Studien verwendbar sind.
Im Rahmen der Jahrestagung des Mukoviszidose e.V. 2017 wurde Dr. Patricia Morán-Losada aus der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Burkhard Tümmler, Medizinische Hochschule Hannover, der Adolf-Windorfer-Preis 2017 verliehen.
In ihrer Doktorarbeit untersuchte Dr. Morán-Losada Sputumproben von Mukoviszidose-Patienten verschiedener Altersstufen und mit unterschiedlichen Schweregraden der Erkrankung systematisch. Sie wendete erstmalig eine Kultur-unabhängige Methode, die „Metagenomanalyse", an. Dafür wurde das gesamte in der Probe vorhandene Erbmaterial (DNS) sequenziert. Anhand dieser DNS-Spuren, konnte Dr. Morán-Losada Rückschlüsse auf Bakterien, Viren und Pilze in den jeweiligen Sputumproben der Patienten ziehen. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe: Im Verlauf der Erkrankung nimmt die Vielfältigkeit des Mikrobioms ab. Bei jungen Patienten und Patienten mit mildem Verlauf sind im Sputum oft viele verschiedene und meist nicht-krankmachende Bakterien zu finden. Mit zunehmendem Alter und bei schwereren Verläufen findet ein Wechsel im Mikrobiom der Lunge statt, so dass sich in vielen Fällen Pseudomonas aeruginosa als Hauptkeim durchsetzt und die vielfältige nicht-krankmachende Bakteriengemeinschaft der Lunge zurückdrängt. Antibiotische Therapien sollten versuchen, die ursprüngliche Vielfältigkeit der Bakteriengemeinschaft möglichst lange zu erhalten. Da Sequenzierungen immer günstiger werden, ist es zukünftig vielleicht möglich, die Kultur-unabhängige Diagnostik mittels Sequenzierung bei Bedarf in die mikrobielle Diagnostik bei Mukoviszidose einzubeziehen. Eine genauere Diagnostik könnte helfen, die antibiotische Therapie individueller, d. h. besser auf den einzelnen Patienten ausgerichtet, durchzuführen.
Das Projekt war ein Teilprojekt eines vom Mukoviszidose e.V. geförderten Kooperationsprojekts (Projektnummer 1206: Entwicklung von kulturunabhängigen Methoden in der CF-Diagnostik).
Hinweis: Namen, Titel und Orte zum Zeitpunkt der Preisverleihung angegeben.