Die Palliativversorgung (engl. Palliative Care) ist ein multiprofessioneller, patientenzentrierter Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen, die mit einer lebensbedrohlichen bzw. lebensverkürzenden Erkrankung konfrontiert sind. Dies soll durch die Prävention und Linderung von Leiden auf körperlicher, psychosozialer und spiritueller Ebene erreicht werden, indem Schmerzen und andere Probleme frühzeitig erkannt, erfasst und behandelt werden. mittels frühzeitiger Erkennung, Erfassung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen. Hierfür schließt die Palliativversorgung u.a. medizinische und pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung mit ein.
Gespräche über die Entwicklung der Erkrankung und das Lebensende sind ein schwieriger, aber entscheidender und oft hilfreicher Prozess für Patienten, Angehörige und Behandelnde. Sie vermitteln Kenntnisse über die Bedürfnisse der Beteiligten und ermöglichen es, die individuellen Wünsche des Patienten – auch in kritischen Phasen der Erkrankung und am Lebensende – zu respektieren.
Menschen mit CF auf einer Warteliste für Organtransplantation können durch die Palliativversorgung unterstützt werden, ohne die Eignung für eine Transplantation zu beeinträchtigen.
Sprechen Sie Ihr CF-Team gerne aktiv an, in welchem Rahmen Palliativversorgung in Ihrem Mukoviszidose-Zentrum angeboten wird.
Folgende Beispiele aus der Praxis zeigen, was die Palliativversorgung bei Menschen mit Mukoviszidose und ihren Angehörigen leisten kann.
Mit Karina* (23, CF) wird im Rahmen einer gesundheitlichen Verschlechterung die Option einer Lungentransplantation (LTX) besprochen. Sie ist bzgl. der Entscheidung ambivalent, sodass eine psychologische Begleitung zur Entscheidungsfindung stattfindet. Im Gespräch wird deutlich, dass Karina mit der LTX auch eine allgemeine Bedrohung durch die Themen Tod und Sterben assoziiert. Sie hat sich an ihren schlechten Gesundheitszustand gewöhnt und frage sich, ob die durchschnittliche Überlebensrate nach einer LTX nicht niedriger sei, als die Zeit, die ihr noch mit ihrer kranken Lunge bleibe. An das Lebensende zu denken, mache ihr extreme Angst. Daher empfindet sie einen Widerstand, sich mit dem Thema LTX und Versorgung am Lebensende zu beschäftigen. Auf die Frage, was passiert, wenn sie alles beim Alten lasse, d.h. keine Entscheidung bzgl. der Transplantation treffe, wird sie traurig. Sie merke irgendwie doch, dass es in letzter Zeit „bergab gehe“ und sie äußert deutlich, dass sie leben möchte. Bisher habe sie das „nicht richtig getan“. Im Gespräch kommt raus, dass sie eigentlich nicht Angst vor dem Sterben habe, sondern davor, zu sterben, bevor sie „richtig gelebt“ habe. Im weiteren Verlauf der Begleitung erarbeitet Karina gemeinsam mit der Psychologin ihre individuelle Bedeutung von „richtig leben“. Sie sprechen darüber, wann sie ihr Leben bisher als erfüllt erlebt hat, welche Werte und Menschen ihr wichtig sind, und wie sie ihre Werte bisher aktiv gelebt hat. Sie schreibt auf, was sie in ihrem Leben beibehalten und was sie ändern möchte, was sie noch erleben und wem sie was sagen möchte, ganz unabhängig von ihrem Gesundheitsstatus. Das verschafft ihr innere Ruhe und Klarheit. Und Mut, weil sie jetzt mehr bei dem ist, was ihr Freude und Hoffnung schenkt und weniger bei der Angst.
Als dieser Text verfasst wird, ist Karina lungentransplantiert, dennoch weiterhin gesundheitlich belastet. Trotzdem verfolgt sie nun mehr die Ziele, die sie erfüllen und glücklich machen.
Die damalige psychologische Begleitung beschreibt sie als „wunderlich“. Sie dachte, die Gespräche würden sich um Tod und Trauer drehen und sie viel Kraft kosten. Doch sie habe noch nie so viel über ihr Leben und Lebendigkeit gesprochen, wie in diesen palliativen Gesprächen.
* Name geändert
Marie* (24 Jahre, CF) ist den Ärzten aus langjähriger Betreuung in der CF-Ambulanz der Kinderklinik bereits bekannt. Sie hat sich eine weitere Anbindung an die ambulante Sprechstunde der Palliativmedizin für Mukoviszidose-Patienten gewünscht. Bereits im Kindes- und Jugendalter waren immer wieder stationäre Aufenthalte aufgrund von Infektexazerbationen, ABPA-Schüben und der Entwicklung eines CF-Diabetes (CFRD) notwendig. Die deutlich fortgeschrittene Lungenschädigung führte bereits recht früh zu einer Reduktion der Lebensqualität – ein „normales“ Teenagerleben war unvorstellbar. Marie musste bereits mit 14 Jahren über eine PEG-Sonde hochkalorische Sondennahrung zuführen, um ihren Körper mit ausreichend Kalorien zu versorgen. Für sie nicht nur ein massiver Eingriff in ihre körperliche „Unversehrtheit“, sondern vor allem ein weiterer Einschnitt in ihre Privatsphäre: Übernachten bei Freunden – undenkbar! Schwimmbadbesuche im Bikini – undenkbar! Unbeschwerte, spontane Partybesuche – für sie unmöglich!
Im Rahmen der palliativmedizinischen Mitversorgung wurden die nötigen i.v. antibiotischen Therapien auf der Palliativstation durchgeführt mit dem Ziel einer multiprofessionellen, umfassenden Versorgung. Neben den medizinisch nötigen Prozeduren erhielt Marie vor allem Unterstützungsangebote durch das Therapeutenteam: Eine intensive psychologische Betreuung mit Fokus auf die Krankheitsverarbeitung und Ressourcen wurde begonnen. Hierbei entpuppte sich die Musik im Rahmen der musiktherapeutischen Einheiten als echte Kraftquelle für Marie.
Darüber hinaus konnten körperliche Symptome wie immer wiederkehrende Übelkeit im Rahmen der Antibiotikatherapien und muskuläre Verspannungen durch Akupunktur und Aromatherapie gelindert werden. Dabei wurde die tägliche Physiotherapie keinesfalls vernachlässigt, sondern „verlagert“: In die Natur, in den Gymnastikraum – einmalig sogar begleitet von einem Therapiehund bei einem sportlichen Spaziergang.
Das Team des Sozialdienstes unterstützte Marie bei der Beantragung einer Reha. Ebenso konnte ein Antrag auf Pflegegrad in die Wege geleitet werden und eine Berufsberatung stattfinden. Ein Nachteilsausgleich sorgte für alltägliche Entlastung bei der Ausbildungsstelle.
Ebenso konnte Marie mit Hilfe des Palliativteams eine Vorsorgevollmacht erstellen und sich mit dem Thema Patientenverfügung auseinandersetzen.
Mittlerweile hat sich Maries Lebensqualität durch die CFTR-Modulatortherapie deutlich verbessert. Regelmäßige i.v.-Therapien sind nicht mehr notwendig, die PEG-Sonde konnte entfernt werden. Die begonnene Psychotherapie hilft ihr, all die schwierigen und zehrenden Jahre aufzuarbeiten und mit ihrer Erkrankung zu leben. Inzwischen hat sie erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen und gelernt, was es bedeutet „Muskelkater“ nach körperlicher Anstrengung zu empfinden: „Dafür hatte ich vor den Modulatoren einfach nie ausreichend Puste!“. Neben ihren Terminen in der CF-Ambulanz nimmt sie auch weiterhin Termine in der ambulanten Palliativsprechstunde wahr; die allumfassende palliativmedizinische Versorgung gehört für sie mittlerweile in ihr „Mukoviszidose-Routineprogramm“.
Wichtig ist es, rechtzeitig palliativ zu denken: „Hope for the best and prepare for the worst“. Definiertes Ziel für Palliativmediziner und das gesamte Palliativ-Care-Team ist die Lebensqualität der Patienten und ihrer Familien. Palliativversorgung kann immer parallel zu kurativen und lebensverlängernden Therapieoptionen erfolgen.
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Cicely Saunders (Begründerin der modernen Hospizbewegung)
*Name geändert
Während der abendlichen Infusionstherapie sucht ein Oliver* (39 Jahre, CF) immer wieder das Gespräch mit der Pflegekraft. Sie besprechen miteinander, wie es mit ihm nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus weitergehen kann. Vor über zehn Jahren hat er eine Spenderlunge bekommen. Jetzt aber verschlechtert sich der Zustand der Lunge deutlich. Nachdem es ihm die letzten Jahre so gut ging und er alles autonom regeln konnte, kommen jetzt Fragen auf: „Wie soll ich mich allein zu Hause versorgen? Wer ist für mich da, wenn ich keine Luft bekomme? Hier auf Station ist das ganz anders. Da seid Ihr immer für mich da, wenn es mir nicht gut geht.“ Oliver lebt allein in seiner Wohnung und hat einen guten Kontakt zu seiner Mutter, die in der Nähe wohnt. Er möchte sie jedoch nicht belasten. Die Pflegekraft nimmt diese Wünsche und Bedenken ernst. In der interdisziplinären Teambesprechung spricht sie die Themen an und es werden Lösungsansätze erarbeitet. Anschließend werden sie mit Ole und seiner Mutter besprochen. Unter anderem bietet ihm das Team einen Aufenthalt auf der Palliativstation der Klinik an. Der Mann hat jedoch große Angst davor: „Da sterben die Menschen“. Die Pflegekraft erläutert, welche Vorteile die Station für seine Stabilisierung und die weitere Symptomkontrolle bietet und wie eine Behandlung dort aussieht. Außerdem sorgt sie dafür, dass eine Person von der Palliativstation zu ihm kommt und ihm seine Fragen noch gründlicher beantwortet. Nach seinem Krankenhausaufenthalt wird Oliver auf die Palliativstation verlegt. Er kann nach einiger Zeit nach Hause und sich wieder allein versorgen. Zugleich hat er mit dem Palliativteam der Palliativstation neue kompetente Ansprechpartner gewonnen, die seine Fragen beantworten und sich um die weitere Symptomkontrolle kümmern. Nicht zuletzt hat er gelernt, seine Mutter mit in das Geschehen einzubeziehen, ohne dass er das Gefühl haben muss, sie damit zu belasten.
*Name geändert
„Ich bin 23 Jahre alt und bisher war ich einmal stationär auf der Palliativstation zur Verbesserung meiner Lebensqualität. Damals war ich 19 Jahre alt. Auf der Station war die Stimmung sehr positiv. Obwohl die Krankheit zwangsläufig das Hauptthema bei dem Aufenthalt war, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich bemitleidet wurde. Bei Aufenthalten auf anderen Stationen war es eher so, dass meine Krankheit und der immer schwerer werdende Weg negativ im Mittelpunkt standen. Dort fühlte ich mich auch öfters mal bedauert. Bei der Palliativmedizin liegt der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens, ohne allerdings die grundsätzliche klassische Therapie zu vernachlässigen.
In den sieben Tagen auf der Station hatte ich unter anderem Musik- und Gesprächstherapie mit Psychologen, Physiotherapie, die fordernder, aber spaßiger war als das, was ich bisher kannte. Außerdem wurde Akupunktur gemacht und ich bekam Hilfe bei der Beantragung des Pflegegrades durch einen Sozialarbeiter. Mir wurde erklärt, dass es auch weitere Therapiemöglichkeiten wie Cannabis-, Tier- und Aromatherapie gibt. Ich habe auch gelernt, mir selbst Akupunkturpflaster zu kleben.
Auch ambulant habe ich eine sehr kompetente Ärztin in der Palliativmedizin, welche mich bezüglich der Therapiemöglichkeiten immer auf dem neusten Stand hält und sich dafür einsetzt, dass Menschen mit Mukoviszidose diese Therapien auch bekommen.
Auch wenn viele glauben, die Palliativmedizin ist nur für Menschen in ihrem Lebensabend, so habe ich deutlich gegenteilige Erfahrung gemacht, denn sie ist dafür da, möglichst früh besser mit der Erkrankung umzugehen und somit vielleicht sogar länger zu leben!
Palliativmedizin ist ein Gewinn für Lebende!“
Tatjana B. (23 Jahre, CF)
Annabell Karatzas
Psychosoziale und sozialrechtliche Beratung
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E-Mail: AKaratzas(at)muko.info
Bitte beachten Sie die Beratungszeiten
Helga Nolte
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