Einzelansicht

Basic Science Meeting 2022 – ein Sprungbrett für den wissenschaftlichen Nachwuchs

Alle Teilnehmer der ECFS Basic Science Conference (Foto: ECFS/David Debischop)

Alle Teilnehmer der ECFS Basic Science Conference (Foto: ECFS/David Debischop)

Mark-Christian Jaboreck, AG Professor Martin, Hannover

Mark-Christian Jaboreck, AG Professor Martin, Hannover

Mathias Schenkel vom Projekt Prof. Michael Schlierf vor seinem Poster

Mathias Schenkel vom Projekt Prof. Michael Schlierf vor seinem Poster

Nikhil Bharti vom Projekt Dr. Suki Albers vor seinem Poster

Nikhil Bharti vom Projekt Dr. Suki Albers vor seinem Poster

Regelmäßig präsentieren Nachwuchswissenschaftler aus Deutschland ihre Forschungsergebnisse auf der internationalen Basic Science Konferenz der Europäischen CF Gesellschaft (ECFS). Darunter waren in diesem Jahr auch viele Projekte, die vom Mukoviszidose e. V. gefördert werden. Die aktive Teilnahme an internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen ist extrem wichtig, um sich als Forscher zu vernetzen und die eigenen Daten im Zusammenhang anderer Forschung zu betrachten und zu diskutieren – denn oft ergibt sich dann das vollständige Bild oder es entstehen neue Ideen, die die Forschung vorantreiben.
Alle Teilnehmer der ECFS Basic Science Conference (Foto: ECFS/David Debischop)

Alle Teilnehmer der ECFS Basic Science Conference (Foto: ECFS/David Debischop)

Mark-Christian Jaboreck, AG Professor Martin, Hannover

Mark-Christian Jaboreck, AG Professor Martin, Hannover

Mathias Schenkel vom Projekt Prof. Michael Schlierf vor seinem Poster

Mathias Schenkel vom Projekt Prof. Michael Schlierf vor seinem Poster

Nikhil Bharti vom Projekt Dr. Suki Albers vor seinem Poster

Nikhil Bharti vom Projekt Dr. Suki Albers vor seinem Poster

Dr. Simon Gräber, AG Professor Mall, Berlin

In einer klinischen Studie untersuchte Simon Gräber Mukoviszidose-Betroffene vor und nach Beginn einer Kaftrio-Therapie. Neben der Lungenfunktion wurde dabei besonders auf die Wiederherstellung der CFTR-Funktion geschaut und dafür Schweißtest und die Messung von Chlorid-Ionen-Strömen in nasalem Gewebe (nPD, nasale Potentialdifferenz) sowie intestinalem Gewebe (ICM, intestinal current measurement) durchgeführt. Dabei wurden die Patienten in zwei Gruppen geteilt: Patienten mit zwei F508del-Mutationen (homozygot) und Patienten mit einer F508del- und einer Minimalfunktionsmutation. Insgesamt wurden so 107 Patienten untersucht. Die über die Ionenströme gemessene Verbesserung der CFTR-Funktion lag in den verschiedenen Gruppen zwischen 42% und 46%. Die Daten zeigen, dass Kaftrio viel CFTR-Funktion wiederherstellen kann, aber eben nicht zu 100% - ein Ergebnis, das als Ansporn dienen sollte, andere oder zusätzliche Substanzen zu entwickeln, die zu noch mehr Wiederherstellungseffekt führen.  

Mathias Schenkel, AG Professor Schlierf, Dresden

Auf einem Poster zeigte Mathias Schenkel seine ersten Ergebnisse eines für drei Jahre angelegten und vom Mukoviszidose e. V. geförderten Forschungsprojekts (Projekt 2005). Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Dynamik von Biomolekülen und hat ein Modell entwickelt, in welchem Teilbereiche des CFTR-Proteins genauer angeschaut werden können. Sie interessieren sich besonders dafür, wie sich das CFTR-Protein in der Membran verankert und mit Lipiden, wichtigen Bestandteilen von Membranen, interagiert. Lumacaftor (Bestandteil des Medikaments Orkambi), ein CFTR-Modulator, der die CFTR-Reifung unterstützt, scheint das CFTR-Protein vor Lipiden abzuschirmen und dadurch die Bildung der normalen Struktur zu erlauben. Diese Beobachtung war unabhängig von verschiedenen Mutationen, die in dem untersuchten Bereich lagen. Auch wenn das zunächst nur ein kleines Puzzleteil neuen Wissens ist, so hilft es, die Wirkung von Modulatoren zu verstehen – denn die ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Kennt man den genauen Wirkmechanismus, können Modulatoren besser klinisch genutzt werden oder auch weiter optimiert werden.  

Liza Vinhoven, AG Dr. Nietert, Göttingen

Auch Proteine unterliegen einem Lebenszyklus: Sie werden aus Bausteinen, den Aminosäuren, zusammengesetzt, modifiziert, gefaltet, überprüft und zu ihrer Wirkungsstätte transportiert. Dort übernehmen sie eine bestimmte Funktion, bis sie wieder abgebaut und wiederverwertet werden. Alle diese Schritte werden in der Zelle von verschiedenen Enzymen und anderen Faktoren begleitet. Mutationen wie beispielsweise im CFTR-Gen können dazu führen, dass dieser bis ins kleinste Detail geregelte Ablauf gestört wird. Wenn man allerdings den Ablauf der CFTR-Herstellung und des Recyclings gut kennt, können Fehler im Ablauf z. B. durch Mutationen besser verstanden und nach Wegen gesucht werden, die Fehler zu korrigieren. In der Datenbank CandActCFTR und der CFTR-Life Cycle Map wurden von der Arbeitsgruppe über 200 wissenschaftliche Publikationen nach Informationen zu CFTR-Modulatoren oder dem CFTR-Lebenszyklus durchsucht und in der Datenbank systematisch zusammengetragen und mit nutzerfreundlichen digitalen Such-Werkzeugen versehen. Die CFTR-Life Cycle Map zeigt in einer Art digitalem Zellmodell, wo sich in der Zelle wichtige Prozesse beim Auf- und Abbau des CFTR-Proteins abspielen und welche Interaktionspartner eine Rolle spielen. Die Arbeitsgruppe hat damit wichtige Werkzeuge für Forscher geschaffen, die nach Wegen suchen, die Ursache eines fehlerhaften CFTR-Proteins zu verstehen und die Funktion wiederherzustellen. Das Projekt wird von der DFG gefördert und das Mukoviszidose Institut (MI) ist in das Projekt eingebunden.

Claudio Rodriguez-Gonzales, AG Dr. Antje Munder, Hannover

Makrophagen sind körpereigene Abwehrzellen, die zur angeborenen Immunantwort beitragen. Treffen Makrophagen z. B. auf Keime, so umschließen sie diese und nehmen die Mikroorganismen in sich auf. Im Zellinnern werden die Krankheitserreger dann abgetötet – wenn dieser Abwehrmechanismus richtig funktioniert. Bei Mukoviszidose scheint das zumindest nicht immer der Fall zu sein, es gibt Hinweise, dass die Makrophagen von CF-Betroffenen nicht so effizient arbeiten wie die von gesunden Kontrollen. Makrophagen sind daher von Interesse der CF-Forschung. Eine Idee ist beispielsweise, den CFTR-Defekt von Makrophagen zu korrigieren. Das ist durch biotechnologische Methoden auch außerhalb des Körpers machbar, d. h. eine Re-Transplantation der reparierten körpereigenen Makrophagen wäre langfristig denkbar. 

Der Weg dorthin führt über iPSCs, induzierte pluripotente Stammzellen. Dafür werden Körperzellen zurück in „Alleskönnerzellen“ programmiert und daraus dann die gewünschten Zellen hergestellt, in dem Fall Makrophagen. Die Arbeitsgruppe nennt die so hergestellten Makrophagen iMacs. Untersuchungen der CF-iMacs im Vergleich zu „gesunden“, also Wildtyp-iMacs, bestätigen, dass ein fehlerhaftes CFTR-Protein auch die Abwehrfunktion der iMacs schwächt. Aber auch in Bezug auf den CFTR-Defekt korrigierte iMacs können im Laborversuch Pseudomonas aeruginosa nicht so gut abtöten, wie „gesunde“ iMacs. Die Forschung der Arbeitsgruppe wird vom Mukoviszidose e. V. noch bis März 2023 unterstützt (Projekt 1905). Bereits jetzt liegen wichtige Ergebnisse und iMac-Zelllinien vor, die nun weiter für die Forschung eingesetzt werden können. Auch ein systematisches Screening nach Substanzen, die die Abwehrfunktion der CF-Makrophagen normalisieren, wäre mit diesen Zellen möglich. 

Raquel Centeio, AG Professor Kunzelmann, Regensburg

Raquel Centeio berichtete in einem Vortrag über die Untersuchung von Niclosamid. Das Medikament wird eigentlich für die Behandlung von Wurminfektionen verwendet und ging durch die Presse, als der Wirkstoff als mögliche Covid-19-Therapie untersucht wurde. Aber schon vor der Pandemie forschte die AG von Professor Kunzelmann an dem Wirkstoff, denn Niclosamid ist auch ein TMEM16A-Hemmstoff. TMEM16A ist ein Kanal in der Plasmamembran, der bei den Mukoviszidose-Forschern auf Interesse stößt – aber auch kontrovers diskutiert wird: TMEM16A transportiert Chlorid-Ionen, d. h. eine Aktivierung von TMEM16A könnte eine fehlerhafte Funktion des CFTR-Kanals vielleicht ausgleichen. Da TMEM16A aber vor allem in Schleim-produzierenden Zellen vorkommt und dort mit der vermehrten Schleimbildung (Mukus-Sekretion) in Verbindung gebracht wird, wäre in diesem Fall eine Hemmung von TMEM16A - und nicht die Aktivierung – bei Mukoviszidose therapeutisch denkbar. 

Niclosamid wird von der AG Kunzelmann in einer neuen pharmakologischen Formulierung, verpackt in einem wasserhaltigen Gel (Niclosamid-Hydrogel), untersucht. So könnte die Substanz durch Inhalation lokal verabreicht werden und weniger Nebenwirkungen haben. Die Forscher möchten mit ihrem Ansatz aber verschiedene Fragen beantworten, zum einem, ob schlecht lösliche Substanzen (in dem Fall das Niclosamid) in einem Hydrogel verpackt sicher und wiederholt in eine entzündete Lunge eingebracht werden können. Zum anderen wird auf die Substanz und deren Wirkung selber geschaut, um die Frage zu beantworten, ob die Hemmung einen positiven Effekt hat. Erste Ergebnisse an Zellen und im Tiermodell zeigen, dass auch das in einem Hydrogel verpackte Niclosamid den TMEM16A-Kanal hemmen kann und die Schleimproduktion verringert werden konnte.

Mark-Christian Jaboreck, AG Professor Martin, Hannover

Eine Antwort auf die Frage, ob eine TMEM16A-Hemmung oder das Gegenteil, eine TMEM16A-Aktivierung bei Mukoviszidose therapeutisch sinnvoll sein kann, liefert möglicherweise bald die AG von Professor Ulrich Martin. In einem vom Mukoviszidose e.V. geförderten Projekt (Projekt 1807) werden induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC) genutzt, um diese Fragestellung systematisch zu untersuchen. Mark-Christian Jaboreck hat insgesamt an drei verschiedenen Stammzelllinien (CF-iPSC, korrigierte CF-iPSC, Nicht-CF-iPSC) das TMEM16A-Gen ausgeschaltet bzw. aktiviert. Die genetisch so manipulierten Zellen kann er im Labor zu Lungenzellen heranreifen lassen und die CFTR- und vor allem TMEM16A-Funktion untersuchen. Diese spannende funktionelle Untersuchung steht nun an und soll in Kooperation mit den Arbeitsgruppen von Professor Galietta (Italien) und Professor Mall (Berlin) durchgeführt werden. 

Nach drei Jahren intensiver Vorarbeit zur Herstellung der sechs verschiedenen Zelllinien und Vorarbeiten zur Lungenzellreifung hat die AG um Professor Martin nun die technischen Werkzeuge in der Hand, um die brennende Frage zu TMEM16A – Aktivierung oder Hemmung – zu beantworten. Wir werden anschließend darüber berichten!

Dr. Florian Jaudas, AG Professor Klymiuk, München

Der Teufelskreis aus Lungeninfektion und Entzündung ist für Mukoviszidose typisch und führt zu einer immer schlechter werdenden Lungenfunktion. Das mit einem fehlerhaften CFTR-Protein einhergehende Ungleichgewicht in der Zusammensetzung der Atemwegsflüssigkeit und der damit verbundenen Verschleimung und schlechten Selbstreinigung der Atemwege (mukoziliäre Clearance) ist sicherlich eine Ursache, warum Bakterien und andere Keime die Lunge leicht infizieren können. Aber ob nicht auch die Immunreaktion selber durch einen fehlerhaften CFTR-Kanal beeinträchtigt oder verändert wird, ist Gegenstand der Forschung (s. Arbeit von Claudio Rodriguez-Gonzales, AG Dr. Antje Munder). Florian Jaudas forscht an einem CF-Schweinemodell. Das Modell wurde vor vielen Jahren über ein Forschungsprojekt des Mukoviszidose e.V. initiiert. In dem CF-Schweine-Modell wurde das CFTR-Gen entfernt (CFTR-Knock-out), die CF-Schweine zeigen eine starke CF-Symptomatik. Florian Jaudas nutzt das Modell, um zu untersuchen, ob das Immunsystem bei den CF-Knock-Out Schweinen kurz nach der Geburt und unabhängig von bakteriellen Infektionen schon Anzeichen einer Entzündungsreaktion oder auch erhöhte Immunaktivität zeigt – auch schon ohne bakterielle Infektion. 

Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Immungeschehen bei den CF-Schweinen im Vergleich zu gesunden Kontroll-Schweinen anders ist. Abwehrzellen strömen vermehrt in Lungengewebe, funktionieren dort aber nicht richtig. Diese Untersuchung stärkt daher die Vermutung, dass nicht allein die Infektion mit Keimen den Teufelskreis aus Infektion und Entzündung aufrechterhält, sondern auch der CFTR-Defekt zu einer Veränderung der Immunreaktion führt. 

Nikhil Bharti, AG Dr. Albers, Hamburg

Die Entwicklung einer kausalen Therapie zur Behandlung von Stopp-Mutationen ist das Ziel der Arbeitsgruppe um Dr. Suki Albers. Dabei hat die AG die CF-Betroffenen im Fokus, bei denen keine CFTR-Modulatoren wirken. Denn Stopp-Mutationen führen zum Abbruch der Herstellung des CFTR-Proteins – und wo gar kein Protein ist, kann auch kein Modulator wirken. 

Der Ansatz soll daher auf Genebene wirken, zwar nicht am Original-Gen, d.h. der DNA im Zellkern, sondern an einer Genkopie, der mRNA. Diese entsteht als Zwischenschritt beim Prozess der Herstellung des CFTR-Proteins: Die Gene auf der DNA im Zellkern werden abgeschrieben und verlassen als Genkopie oder Messenger-RNA (mRNA) den Zellkern. Die Genkopie wird abgelesen und der genetische Code in eine Kette aus Aminosäuren übersetzt – solange bis ein Stoppsignal in dem genetischen Code auftaucht. Die Zelle kann nicht unterscheiden zwischen richtigem Stopp-Signal (wenn die Aminosäure-Kette für das Protein fertig ist) und falschen Stopp-Signalen, wie im Falle von Mutationen. Stopp-Mutationen führen daher zu einem vorzeitigen Abbruch in der Protein-Herstellung, die Aminosäure-Kette ist verkürzt und reicht nicht für die Bildung des vollständigen Proteins. Gelänge es, dass die Zelle das falsche Stopp-Signal einfach überliest und die Herstellung der Aminosäure-Kette fortsetzt, wäre eine Therapie auf mRNA Ebene denkbar. Nikhil Bharti stellte auf einem Poster erste Ergebnisse zu einem solchen Ansatz vor, wobei die AG sich zunächst auf die Mutationen R553X, G542X und W1282X fokussiert, für jede Mutation aber an einer individuellen Therapie arbeitet. Diese individuellen, d. h. mutationsspezifischen Ansätze werden verfolgt, um die Sicherheit zu erhöhen, denn es muss unbedingt verhindert werden, dass auch andere, echte Stopp-Signale überlesen werden. Erste, vielversprechende Ergebnisse an Zellen der Nasenschleimhaut von Patienten mit den entsprechenden Mutationen stellte Nikhil Bharti auf seinem Poster vor. Die Arbeitsgruppe wird derzeit im Rahmen der Forschungsförderung durch den Mukoviszidose e.V. (Projekt 2105) unterstützt und wir verfolgen gespannt die weitere Arbeit der Gruppe. 

Die Projekte des Mukoviszidose e.V. wurden auf dem internationalen Kongress durch die jungen Forscher sehr gut vertreten. Die Vorstellung von eigenen Forschungsarbeiten in Vorträgen oder auf Postern ist enorm wichtig, um international sichtbar zu sein, sich fortzubilden und um Kooperationen zu knüpfen. Denn Forschung funktioniert besser gemeinsam, erst recht bei seltenen Erkrankungen. 

Für den Mukoviszidose e.V. besuchte Dr. Sylvia Hafkemeyer den Kongress. Ein weiterer Bericht über die Vorveranstaltung des ECFS Kongress zum Thema Antimikrobielle Resistenz, die gemeinsam mit anderen Europäischen Patientenorganisationen und der ECFS ausgerichtet wurde, wird in der Vereinszeitschrift muko.Info Ausgabe 2/2022 zu lesen sein.  

Dr. Sylvia Hafkemeyer
Forschungsförderung und Registerstudien
Mukoviszidose Institut 
gemeinnützige Gesellschaft für Forschung und Therapieentwicklung mbH
E-Mail: SHafkemeyer(at)muko.info

Mehr zu den vom Mukoviszidose e.V. geförderten Projekten
 


Bitte unterstützen
Sie uns
35€ 70€ 100€
Jetzt spenden