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Bericht von der europäischen CF-Konferenz 2019 - 5

Mit einer Rekord-Teilnehmerzahl von 2.595 war die diesjährige Konferenz der europäischen Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) Gesellschaft (ECFS) in Liverpool sehr gut besucht. Aus Deutschland waren 130 Teilnehmer gekommen. Wir haben die wichtigsten News aus Liverpool hier zusammengefasst.

Apps, smarte Tabletten & Co - neue Tools der Telemedizin

Telemedizinische Ansätze etablieren sich zunehmend auch in der CF-Versorgung. Dabei lässt sich grob zwischen Device-gestützten Ansätzen, wie spezielle Geräte und softwaregestützten Ansätzen, wie Gesundheit-Apps unterscheiden. Es gibt Instrumente, die auf Verbesserung der Kommunikation Betroffener mit dem Behandler-Team abzielen und andere, die das Selbstmanagement unterstützen sollen. Auch wenn sich viele Projekte noch in der Politphase befinden, lohnt sich ein Blick auf die Angebotslandschaft und mögliche Vor- und Nachteile.

Geräte zum Monitoring von Vitaldaten

Diese Geräte gibt es mittlerweile in vielen verschiedenen Formen. Sie sammeln Vitaldaten im oder am Körper des Betroffenen. Beispiele hierfür sind:

  • temporäre Monitoring-Tattoos
  • Smarte Pillen (die geschluckt werden)
  • Smarte Uhren

Die gesammelten Daten können in der CF-Ambulanz ausgelesen werden und zur erweiterten Diagnostik und Einschätzung des Gesundheitszustandes genutzt werden. Dadurch werden Vitaldaten kontinuierlich und nicht nur punktuell zu den Terminen erhoben. Bei der Anwendung solcher Geräte muss aber ein besonderes Augenmerk auf die Datensicherheit gelegt werden, um missbräuchliche Datenauslesung zu verhindern. Zudem bleibt zu diskutieren, ob diese Geräte nicht zu einem „gläsernen Patienten“ führen, der jedes abweichende Verhalten begründen und rechtfertigen muss.

App-Pilotprojekte zur Selbsteingabe von Gesundheits- und Krankheitsdaten

Mit diesen Software-Applikationen (Apps) sollen durch Selbsteingabe der CF-Patienten Gesundheits- und Krankheitsdaten erfasst werden.
1) App zum Hervorsagen von Exazerbationen und akuten Verschlechterungen

  • Die Patienten tragen regelmäßig vorgegebene Vitaldaten in die App ein.
  • Das Behandlerteam hat Zugriff auf diese Daten.
  • Es gibt ein eingebautes Warnsystem.

2) Digitale Fragbögen zur Vorbereitung der Ambulanztermine

  • Patienten tragen vor dem Ambulanzbesuch die Themen ein über die sie sprechen möchten.
  • das Team kann sich anhand der Eingaben auf den Termin vorbereiten.

3) Digitale Fragebögen zur Entscheidung, ob ein Termin wahrgenommen werden muss

  • Patienten tragen vor dem Ambulanzbesuch die relevanten Gesundheits- und Krankheitsdaten sowie aktuelle Befindlichkeiten ein.
  • Das Team entscheidet, ob der Patient vorstellig werden soll.

Diese App-Projekte zielen darauf ab, den Patienten als Dokumentar in die Verantwortung zu nehmen. Sie können helfen, mögliche Verschlechterungen vorherzusagen, aber auch die Belastung durch womöglich unnötige Präsenztermine zu verringern. Das erscheint auf den ersten Blick logisch und hilfreich, doch ergeben sich auch hier wichtige Fragen, die diskutiert und weiterverfolgt werden müssen:

  • Wo werden die Daten gespeichert und wer hat darauf Zugriff (Datensicherheit)?
  • In welchem Kontext und in welcher Frequenz werden die Daten ausgewertet?
  • Wie wird die Dateneingabequalität kontrolliert?
  • Wie wird mit Fehleinschätzungen umgegangen?

Technologische Unterstützung zur Verbesserung der Adhärenz

Vorgestellt wurde eine Spiele-App mit spezieller Hardware-Applikation zur digitalen Messung der Atmung. Das Spiel wird mit Atemstößen gesteuert und die Logik ist so angelegt, dass es die korrekte Durchführung der Atemtherapie unterstützt. Es soll Abwehr gegen die Therapiemaßnahmen abbauen und das direkte Feedback soll motivierend wirken. Die App und die Hardware-Applikation sind derzeit noch in der Testphase und aktuell auch noch nicht frei verfügbar.
Viele Eltern, die ihre Kinder nur schwer zur korrekten Ausführung der Atemtherapie bewegen können, wären von so einem Spiel sicherlich begeistert. Hier bleibt aber abzuwarten, ob die notwendige Hardware-Applikation handelsüblich zu erwerben sein wird und ob das Spiel eine dauerhafte Motivation darstellt oder irgendwann auch seinen Reiz verliert.

Tools zur Vernetzung und Selbsthilfe

Aus einem englischen Krankhaus wurde die Einrichtung eines virtuellen Raums vorgestellt. Patienten können sich mit Virtual Reality-Equipment in Avatarform allein oder auch mit Behandlern treffen und austauschen.

Diese Form des virtuellen Austauschs soll nach Einschätzung der Referentin viel bessere und interaktivere Möglichkeiten zur Vernetzung bieten als über Telefon oder Videoanrufe. Sie kann insbesondere für Personen, die sich aus Hygienegründen nicht mit anderen Patienten treffen wollen, Teilhabe ermöglichen. Die Einrichtung eines solchen Raums ist aber initial mit einem hohen Erstaufwand und Kosten verbunden. Zudem kann er auch nur von den Personen genutzt werden, die über die entsprechende Hardware verfügen, was auch wieder ein großer Kostenfaktor für die Betroffenen sowie auch ein Ausschluss derer, die es sich nicht leisten können, bedeutet. Nicht zu vergessen ist, dass eine solcher Raum auch betreut und ggf. moderiert werden muss.

Frei verfügbare Gesundheits-Apps zum Selbstmanagement

In den App-Stores gibt es mittlerweile eine Vielzahl freiverfügbarer Gesundheits-Apps und das Angebot wird zunehmend unübersichtlicher. Bei den Apps kann grob zwischen zwei Arten unterschieden werden:

  • Lifestyle-Apps z.B.: zur Gewichtsreduktion, mehr Bewegung etc.
  • Gesundheitsbezogene theoriegestützte Apps mit medizinischem, psychologischen oder anderweitig therapeutischem Schwerpunkt

Gesundheit-Apps bieten viele Möglichkeiten seinen Gesundheitszustand selbst zu beobachten und zu verändern. Leider verfügen viele Apps nicht über einen theoretischen Hintergrund oder sind in ihrer Wirkung nicht evidenzgeprüft. Durch die Logik vieler Apps wird zudem eine gewisse Abhängigkeit aufgebaut, da Intervention nur noch durchgeführt werden, wenn es die App vorgibt. Deswegen sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die genutzten Apps gesicherte Gesundheitsinformationen vermitteln, ein theoriegestütztes Konzept haben und zu selbständigem Verhalten und ggf. zu Verhaltensänderung motivieren. Wichtig ist auch zu beachten, dass viele Apps nicht krankheitsspezifisch und somit nur bedingt nützlich sind.

Viele Behandler scheuen sich aus den oben genannten Gründen (unübersichtliche Landschaft, wenig Evidenz) davor, Apps zu empfehlen. Das ist nachvollziehbar, und hier liegt noch ein großer Handlungsbedarf, sinnvolle Bewertungsschemen etc. zu entwickeln. Dennoch sollte das Thema nicht ausgeklammert werden, sondern bei Bedarf individuell besprochen werden. Auch wenn es nur darum geht, im gemeinsamen Gespräch die genutzten Apps zu hinterfragen.

Fazit

Es gibt viele innovative Ansätze, und es wird spannend, wo sich die Entwicklung in den nächsten Jahren hinbewegt. Sie bieten Möglichkeiten den Gesundheitszustand besser zu verfolgen, Ressourcen zu schonen und Isolation zu verringern. Aber es gibt auch viele Herausforderungen. Selbst wenn irgendwann alle technischen Fragen und Datenschutzbedenken geklärt sind, bestehen weiterhin Akzeptanzprobleme digitaler Angebote (bei Patienten wie auch Behandlern) und auch die Gefahr der Überforderung. Die Nutzung gestaltet sich somit sehr individuell. Jede/r muss für sich das finden, was ihn/sie nachhaltig in der Krankheitsbewältigung unterstützt. In jedem Fall lohnt es sich offen zu sein und sich aktiv mit innovativen Hard- und Softwareapplikationen auseinander zu setzen.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Anna-Lena Strehlow (AStrehlow(at)muko.info).


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