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ECFC 2021: Die Corona-Pandemie aus Sicht der CF-Experten

Coronavirus. Bild von PIRO4D auf Pixabay.

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Die europäische CF-Konferenz (ECFC) wurde dieses Jahr von Italien ausgerichtet (9. bis 12. Juni 2021). Eigentlich hätte sie in Mailand stattgefunden, aufgrund der Corona-Situation wurde sie aber wieder in einem digitalen Format angeboten. Das Programm war vielfältig und mit knapp 2000 Teilnehmern aus aller Welt gut besucht. Wir haben auf unserer Website einige interessante Themen der Konferenz zusammengefasst. Ein Thema der Tagung war die Corona-Pandemie, die die Welt in der virtuellen Vernetzung weitergebracht hat. Das zeigt sich auch in der telemedizinischen Versorgung von CF-Betroffenen. 
Coronavirus. Bild von PIRO4D auf Pixabay.

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Die Corona-Pandemie beschäftigte auch die Referenten der digitalen europäischen Konferenz. Die Analysen der verschiedenen Datenregister weltweit hatten vor der Konferenz bereits gezeigt, dass Covid-19 bei Kindern mit CF meist nur mild verläuft und vor allem Menschen nach Transplantation, ältere CF-Patienten und Patienten mit Diabetes oder schlechter Lungenfunktion von Covid-19 schwerer betroffen waren. Altersbezogene Auswertungen machten dennoch deutlich, dass mehr junge Menschen mit CF von Covid-19 betroffen waren als in der gleichen Altersgruppe der Allgemeinbevölkerung (wir berichteten). 

Infektionskontrolle ist das tägliche Brot von CF-Betroffenen

CF-Betroffene und deren Behandler waren schon vor der Corona-Pandemie Experten in der Infektionskontrolle. Hygienemaßnahmen waren für alle Beteiligten eine Selbstverständlichkeit und nach wie vor wird darüber spekuliert, ob diese selbstverständliche Einhaltung von Hygieneregeln einen Anteil daran hat, dass sich CF-Patienten weniger als anfangs befürchtet mit SARS-CoV-2 angesteckt haben. Den Risikofaktoren, die mit CF einhergehen, wie chronische Lungeninfektionen und Entzündung, Diabetes, Transplantationen und anderen Begleiterkrankungen stehen aber auch Vorteile gegenüber: CF-Patienten sind eine jüngere Population, haben einen geringeren BMI, sind Nichtraucher und nehmen antientzündliche Medikamente, die vorbeugend gegen Covid-19 wirken könnten.  

Home Schooling als Alternative 

Dr. Susan Madge aus dem Royal Brompton Hospital in London berichtete im Zusammenhang mit dem Covid-19-Risiko, dass es bei Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren mit CF weniger Ängste gab als in vergleichbaren Altersgruppen der Allgemeinbevölkerung. Die Mütter von CF-Betroffenen hingegen machten sich mehr Sorgen und litten unter größerer Angst als Mütter von gesunden Kindern und Jugendlichen. Positiv ist, dass die Allgemeinbevölkerung aufgrund der Corona-Pandemie die Wichtigkeit von Hygienemaßnahmen und Infektionskontrolle besser zu akzeptieren scheint, wodurch CF-Betroffene hoffentlich auch zukünftig in ihren Bemühungen hinsichtlich Infektionskontrolle, aber auch hinsichtlich des phasenweise nötigen Home oder Hospital Schooling besser verstanden und unterstützt werden. 

Home Schooling und Home Office wurden in vielen Regionen der Welt im letzten Jahr sehr schnell umgesetzt und sind technisch schneller vorangeschritten als in den Jahren vor der Pandemie. Jedoch manifestierten sich hier wieder die sozioökonomischen Unterschiede in der Bevölkerung, was auch bei CF-Betroffenen sichtbar wurde. Ohne Unterstützung des Umfelds und die finanziellen Mittel für das technische Equipment kann Home Schooling nicht gelingen. Hinsichtlich der Corona-Pandemie war das Resümee der Referentin aber, dass auch Kinder mit CF die Schule wieder besuchen können. 

Telemedizin: virtuelle Patientenbetreuung 

Mit Beginn der Pandemie wurden in den meisten CF-Zentren die Routinetermine vorsorglich abgesagt, da man insbesondere in dieser frühen Phase der Pandemie noch keine Maßnahmen für eine sichere Patientenversorgung etabliert hatte. Daher wurde auch die medizinische Versorgung vielerorts zeitnah auf virtuelle Betreuung umgestellt. Verschiedene Referenten der Konferenz berichteten über ihre Erfahrungen mit der technischen Umsetzung, dem therapeutischen Erfolg und der Resonanz bei den CF-Betroffenen. Ein einfaches Resümee kann hierbei nicht gezogen werden. Es gab technische Schwierigkeiten, aber auch neue Lösungen. Es gab medizinische Erfolge in der virtuellen Betreuung, aber auch Enttäuschungen. Die Patienten nahmen allerdings zum allergrößten Teil die virtuellen Angebote ihrer Therapeuten äußerst positiv wahr. 

Nicht alle Betroffenen können virtuell erreicht werden

Die telemedizinischen Ansätze in der CF-Therapie sind nicht neu. Bereits seit den 1980er-Jahren wurde darüber nachgedacht, geforscht und Instrumente entwickelt. Spirometrische Messungen zur regelmäßigen Prüfung der Lungenfunktion zuhause können inzwischen ohne wesentlichen Qualitätsverlust durchgeführt werden, wie am Beispiel einer britischen Studie gezeigt wurde. Wichtig ist die Auswahl der Geräte und vor allem, die Geräte nicht zwischendurch zu wechseln, da dadurch die gemessenen Werte nicht mehr zuverlässig vergleichbar sind. Wenn es darum geht, mikrobiologische Untersuchungen der Lunge durchzuführen, muss u.U. die Gewinnung des Sputums oder Rachenabstrichs per Video angeleitet werden, insbesondere in heutiger Zeit, in der aufgrund der Modulatortherapie viele Patienten nicht mehr viel Sputum produzieren. Aber auch hier wird bereits an Geräten geforscht, um eine einfachere Diagnostik von bakteriellen Infektionen in der Ausatemluft zu ermöglichen. Pseudomonaden beispielsweise können von darauf trainierten Hunden in der Luft erschnuppert werden, was auch auf Geräte übertragbar werden soll.

Verschiedene Studien in Europa zeigten, dass die virtuelle Anleitung und Motivation auch zur Durchführung von Physiotherapie möglich ist und von den Betroffenen als hilfreich empfunden wird. Deutlich wurde aber auch, dass Corona insgesamt eher dazu geführt hat, dass weniger Physiotherapie verschrieben wurde und die sportliche Aktivität in dieser Zeit zurückgegangen ist – wie auch in der Allgemeinbevölkerung. 

Neben der individuellen medizinischen Betreuung über virtuelle Medien wurden von manchen CF-Zentren auch Gruppenaktivitäten virtuell angeboten wie beispielsweise Sportkurse, die von den Betroffenen sehr gut angenommen und als große Unterstützung in der Pandemie wahrgenommen wurden. Die virtuellen Sportprogramme waren dementsprechend gut besucht, wobei nicht alle Betroffenen mit diesen Formaten erreicht werden konnten. Ähnliches lässt sich auch von den virtuellen Aktivitäten des Mukoviszidose e.V. berichten, die seit Beginn der Corona-Pandemie angeboten wurden und weiter angeboten werden. Die Resonanz auf diese virtuellen Treffen, Vorträge, Kurse und Diskussionsforen ist äußerst positiv. Dabei wird aber vor allem die Gruppe der 20 bis 50-Jährigen erreicht, ältere und jüngere Betroffene nahmen wenig teil. Hier zeigt sich bei aller Begeisterung über die technischen Möglichkeiten und Auswirkungen der Telemedizin vielleicht schon die Limitation von virtueller Patientenbetreuung: Nicht alle Betroffenen können erreicht werden. 

Pro und Kontra Telemedizin

Die digitale europäische Konferenz wurde auch genutzt, um in einer Pro-Kontra-Diskussion zu verdeutlichen, wie viele Aspekte in der virtuellen Gesundheitsbetreuung Beachtung finden müssen. Auf der einen Seite stehen die offensichtlichen Vorteile der Zeitersparnis für Patienten und CF-Behandlungsteam, die effektivere Vermeidung von Kreuzinfektionen aller Art, denen man sich zuhause nicht aussetzt und nicht zuletzt die Einsparung von Kosten für das Gesundheitssystem, indem die Zeit der Behandler effektiver nutzbar wird. 

Im Moment gibt es noch einige praktische Hürden der virtuellen Betreuung: technische Geräte müssen verfügbar sein, es kann während des Gesprächs Ablenkungen geben durch Geschwisterkinder und andere Mitbewohner, oder es können sprachliche Probleme auftauchen, die in der Ambulanz mit Dolmetschern besser überbrückbar sind. In Videos ist außerdem die Körpersprache des Patienten nicht so gut zu erkennen und kann auch nicht durch eine körperliche Untersuchung ergänzt werden. Zudem besteht die Befürchtung, dass die Mitteilung schlechter Nachrichten schwieriger ist, da nicht direkt auf die psychosoziale Unterstützung zurückgegriffen werden kann. Die Vermittlung von neuen Therapieansätzen kann sich ebenfalls schwieriger gestalten und die Therapieadhärenz gefährden. Auch Studienteilnahmen und Forschungsvorhaben sind möglicherweise schlechter vermittelbar, wenn Patient und Behandler nicht physisch in einem Raum sitzen. 

Telemedizin wird intensiv beforscht

Um die virtuelle Patientenbetreuung gründlich zu erforschen, sind in letzter Zeit etliche Telemedizin-Projekte aufgebaut worden. Klar ist, dass die technische Umsetzung im CF-Zentrum und beim Patienten sorgfältig etabliert werden muss, aber auch die Abläufe im CF-Zentrum müssen umgestellt und manchmal auch Überzeugungsarbeit bei Behandlern und Patienten geleistet werden. Sind die Abläufe und die Technik aber etabliert, kann die virtuelle Versorgung den normalen Ambulanzablauf unterstützen und in Pandemie-Zeiten schnell und zielgerichtet eingesetzt werden, wie beispielsweise in dem irischen TECC (Telemedicine Cystic Fibrosis Corona)-Projekt gezeigt wurde. Sowohl die teilnehmenden Patienten als auch das CF-Team waren laut Professor Barry Plant aus Cork begeistert. Das Projekt umfasste nicht allein die ärztliche Betreuung, sondern alle CF-Behandler wurden einbezogen. 

In einem deutschen Projekt (eICE) wird derzeit untersucht, wie gut mit telemedizinischer Unterstützung eine engmaschige Messung der Lungenfunktion zuhause gelingen, sowie die Therapieadhärenz unterstützt werden kann. Das Projekt kombiniert die Lungenfunktionsmessung zuhause mit telefonischem Coaching und ärztlicher Unterstützung per Video. Ziel ist es, Verschlechterungen der Lungenfunktion früh zu entdecken – im besten Fall früher als bei der konventionellen Versorgung im CF-Zentrum. 

Rein virtuelle Patientenversorgung ist nicht geplant

Natürlich ist für bestimmte Fragestellungen immer noch der Weg zum Arzt nötig, z.B. für MRT- oder Ultraschall-Durchführung oder körperliche Untersuchungen. In keinem der Telemedizin-Projekte steht als Ziel am Horizont, dass ein Patient keinen persönlichen Kontakt mehr mit dem CF-Team haben sollte. Die Versorgung von CF-Patienten wird sich jedoch perspektivisch allein schon dadurch verändern, dass immer mehr ältere und gleichzeitig aber auch gesündere CF-Betroffene betreut werden, die von einer ergänzenden telemedizinischen Versorgung besonders profitieren könnten. 

Lernprozess für CF-Zentren und Patienten

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die telemedizinische Versorgung noch nicht etabliert genug und es gibt Kritiker, die befürchten, dass die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Patient und CF-Team zu sehr leiden könnte als dass sie durch medizinische Verbesserungen ausgeglichen werden kann. Die Befürchtung, es könnten manche Betroffene zurückbleiben, sei es, weil sie technische Hürden nicht überwinden können oder wollen, oder weil die Menschlichkeit in ausschließlich virtuellen Beziehungen zueinander auf der Strecke bleibt, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht von der Hand zu weisen. Allen Beteiligten ist sicherlich klar, dass die Telemedizin den echten menschlichen Kontakt nicht komplett ersetzen kann. Sie kann aber eine gute Ergänzung zur Betreuung von Patienten im CF-Zentrum sein und die medizinische Versorgung verbessern. Es wird ein Lernprozess für CF-Zentren und Patienten sein, sowohl hinsichtlich der technischen Umsetzung als auch der Kommunikation miteinander. Die Erforschung der Auswirkungen von virtueller Patientenversorgung muss noch viele Aspekte klären, sowohl die medizinischen und psychologischen als auch die wirtschaftlichen. Die Corona-Pandemie hat hierzu Vorschub geleistet und es wird spannend sein, die Umsetzung der zu erwartenden Forschungsergebnisse zu erfahren und dabei die Akzeptanz in der Gesellschaft und der nachwachsenden Generationen zu erleben.

Dieser Bericht ist Teil unserer Serie über die europäische CF-Konferenz, die vom 9. bis 12. Juni 2021 digital stattfand.


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