In der Ernährungstherapie steht ein Paradigmenwechsel an, der dem in den 1980er-Jahren vergleichbar ist, als durch die Einführung der Pankreasenzymtherapie (PERT) die fettreiche Ernährung möglich wurde und die Betroffenen damit eine Chance hatten, gegen die zuvor bei CF typische Unterernährung anzugehen (siehe auch unser Bericht von der Deutschen Mukoviszidose Tagung 2020).
Von der Modulatortherapie mit Ivacaftor (Kalydeco) wurde in den letzten Jahren bereits berichtet, dass sich der pH-Wert im Darm erhöht, die fäkale Elastase als Marker für die Funktion der Bauchspeicheldrüse verbessert und eine Reduktion der Entzündung im Darm angenommen werden kann. Daraus resultiert eine bessere Verdauung und in einigen Fällen kann die Dosis der Verdauungsenzymtherapie deutlich reduziert werden. Inzwischen kann nun mit der Zulassung der Dreifachtherapie Kaftrio in Europa auch die Auswirkung auf die Ernährung im tatsächlichen Alltag der Betroffenen untersucht werden. In einer Studie, über die Aoife Connolly vom Blackpool Teaching Hospital berichtete, wurde untersucht, wie sich bei 27 CF-Betroffenen unter der Therapie mit Kaftrio das Körpergewicht und die Dosierung der Enzymtherapie entwickelte. Dabei gab es Betroffene, die an Gewicht verloren (25,9%), aber die meisten konnten an Gewicht zulegen (70,4%). Die Gewichtszunahme lag durchschnittlich bei 5,4% innerhalb von zwei bis drei Monaten nach dem Beginn der Kaftrio-Therapie. Bei 3,7% der Betroffenen gab es keine Veränderung des Körpergewichts. Fünf Patienten reduzierten die Dosierung der Enzymtherapie, zwei erhöhten sie. Trotz der Dosisreduktion verlor nur ein Patient an Gewicht, die anderen nahmen zu. Eine amerikanische Studie, in der 130 CF-Patienten befragt wurden, ob sie die Häufigkeit der Enzymtherapie nach dem Beginn der Dreifach-Modulatortherapie verändert hatten, zeigte keine Veränderung. Weitere Untersuchungen zu den Auswirkungen von Kaftrio® auf die Ernährungssituation und Verdauung werden sicherlich bald folgen.
Was ist ein guter Ernährungszustand?
Die Veränderung der Ernährung im Zusammenhang mit den neuen Therapien lässt auch die Frage aufkommen, was eigentlich ein guter Ernährungszustand für CF-Betroffene ist. Das Gewicht allein ist kein Marker mehr für eine „erfolgreiche“ Ernährung, sondern die Zusammensetzung des Körpers hinsichtlich Fett- und Muskelmasse gerät zunehmend in das Visier der Forscher. Dabei wird deutlich, dass die fettfreie Masse des Körpers (alle Bestandteile des Körpers außer Fett, z.B. Wasser, Proteine) stärker mit der Lungenfunktion assoziiert ist als der BMI. Diese Erkenntnis fand in den letzten Jahren auch Beachtung in den verschiedenen internationalen Leitlinien. Bisher konnten aber noch keine Grenzwerte festgelegt werden, an denen die Köperzusammensetzung ausgerichtet werden könnte. Auch die Auswirkungen der CFTR-Modulatoren auf die fettfreie Masse des Körpers muss noch weiter untersucht werden. Erste Daten haben für Kalydeco gezeigt, dass die Therapie keinen Einfluss auf die fettfreie Masse hat, für Kaftrio wird dies noch untersucht.
Achtsames Essen: Gefühl für Hunger und Sattsein
Jahrzehntelang wurde die Ernährung von CF-Betroffenen als Teil ihrer Krankheit begriffen und von vielen entsprechend problematisch empfunden. Nicht überraschend, dass sich aus dieser Situation heraus bei nicht wenigen Betroffenen auch ein problematisches Essverhalten bis hin zu einer Essstörung entwickelt hat. Diese früh zu erkennen ist wichtig, wobei die Abgrenzung zwischen problematischem Essverhalten und echter Essstörung nicht einfach ist, wie die Psychologin Rita Maria Nobili aus Mailand betonte.
In diesem Zusammenhang rückt auch das Thema des achtsamen Essens in den Fokus. Die Psychologin Dr. Helen Egan aus Birmingham stellte dazu ihre Übungen für ein achtsames Essen vor, bei dem es vor allem darum geht, ein Gefühl für Hunger und Sattsein zu entwickeln, das viele CF-Betroffene nicht mehr haben.
Nicht allein die Kalorienmenge zählt
Die Qualität der Nahrungsmittel spielt eine große Rolle bei der Gesunderhaltung des Körpers. Die ständige Sorge CF-Betroffener, genug Kalorien aufzunehmen, führt allerdings oft dazu, sich schnell verfügbare Kalorien in Form von Fast Food, Schokolade und anderen Süßigkeiten zuzuführen. Der sozioökonomische Status ist hierbei ein wesentlicher Faktor, der das Essverhalten stark beeinflusst, wie eine Studie der George Washington University zeigte.
Insgesamt ist die Trendwende bei der CF-Ernährung nicht zu übersehen. Aoife Connolly vom Blackpool Teaching Hospital schloss ihren Vortrag mit der Anregung, Ernährung nicht mehr als Therapeutikum einer Krankheit anzusehen, sondern als Mittel für Gesundheit und Wohlgefühl.
Dieser Bericht ist Teil unserer Serie über die europäische CF-Konferenz, die vom 9. bis 12. Juni 2021 digital stattfand.