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ECFC 2021: Mikrobiologische Untersuchungen: mit oder ohne Kultur?

Längst weiß man, dass die Lunge nicht steril ist und sich auch in der gesunden Lunge eine Bakteriengemeinschaft befindet. Was sich in der Lunge befindet, kann man über „Metagenomics“ herausfinden, da auch Bakterien anhand ihres „genetischen Fingerabdrucks“ nachgewiesen werden können. Die kulturunabhängige mikrobiologische Diagnostik gibt es, seitdem die Sequenzierungskosten gesunken sind. Verschiedene Methoden, die nach Genspuren in mikrobiologischen Proben suchen und darüber Rückschlüsse erlauben, welche Bakterien sich in der Probe befinden, kommen zur Anwendung. Bei diesen Analysen spricht man meist von „Metagenomics“ und die nachgewiesene Bakteriengemeinschaft (richtiger wäre „Gen-Gemeinschaft“) nennt man Metagenom.

Die Frage „Welche Bakterien befinden sich in der Probe?“, kann demnach über „Metagenomics“ inzwischen ganz gut nachgewiesen werden. Schwieriger wird es aber, wenn man auch wissen möchte, welchen Bakterienstamm man in der Probe hat, wie krankmachend dieser ist und ob dieser vielleicht sogar resistent ist gegen ein Antibiotikum. Denn auch wenn man typische Gene findet, die eigentlich Resistenzen gegen Antibiotika verursachen können, weiß man nicht unbedingt anhand des Gens, ob die Bakterien dieses Gen auch aktiv benutzen. Auch tragen manche Bakterien ihre Resistenzgene außerhalb ihres „Kerngenoms“ im sog. Plasmid, so dass die Zuordnung nicht immer über das nachgewiesene Gen möglich, wenn verschiedene Bakterien gleichzeitig aus einer Probe durch „Metagenomics“ untersucht werden. In diesen Fällen ist es dann doch notwendig, die Bakterien in Kultur zu bringen, zu vereinzeln und dann die Resistenz zu untersuchen. 

„Omics“ bieten vielfältige Möglichkeiten für die Mikrobiologie

„Omics“ – dieser Wortteil verrät eigentlich immer, dass viele Daten generiert werden, die erst einmal mit Hilfe von viel IT-Einsatz sortiert und für eine Interpretation aufbereitet werden müssen, erst dann können die Daten wichtige Erkenntnisse liefern.

Mit „Omics“ wird schon lange nicht mehr „nur“ nach Genspuren gesucht, sondern über „Transcriptomics“ wird analysiert, was von den Genen aktiv abgelesen wird und daher für das Bakterium gerade wichtig ist. Und auch „Proteomics“ gibt es im Labor, wo nur die Proteine identifiziert werden, die gerade von den Bakterien hergestellt und für ihr Leben benötigt werden. Und auch die „Metabolomics“ gibt es, wo der Stoffwechsel untersucht werden kann. Auch das ist wichtig, denn auch durch Stoffwechselprodukte können sich Bakterien gegenseitig in ihrem Wachstum beeinflussen – positiv wie auch negativ. 

Die „Omics“ werden die mikrobiologische Diagnostik weiterhin gut ergänzen, aber (noch?) nicht ersetzen, denn eine genaue Differenzierung verschiedener Stämme benötigt nach wie vor eine reine Kultur und auch das phänotypische Verhalten eines Stammes kann bislang nur in Kultur richtig analysiert werden (und auch die Frage, ob die Bakterien, deren Gen-Spuren man findet, überhaupt noch leben). Ebenso können stark unterrepräsentierte Bakterien in einer Metagenom-Analyse leicht übersehen werden. Eindeutiger Vorteil hingegen ist, neben den umfassenden „Omics“-Daten zur Bakteriengemeinschaft, dass Bakterien, die sich nicht oder nur schwer kultivieren lassen, anhand von „Omics“ gefunden werden könnten. 

„Omics“ vor allem für die Forschung interessant

Für die Forschung sind die „Omics“-Daten derzeit wahrscheinlich noch von größtem Nutzen. Unter Anwendung von Metagenomics untersuchte eine Arbeitsgruppe aus den USA Bakteriengemeinschaften, die unter Kulturbedingungen gehalten wurden, wie sie in der Lunge vorkommen können: in Muzin-ähnlichem Medium und z. T. auch ohne Sauerstoff (d. h. unter anaeroben Bedingungen, wie sie tief in Biofilmen oder verstopften Bronchiolen vorkommen können). Diese Bakteriengemeinschaften analysierten die Forscher vor und nach Zugabe von verschiedenen Antibiotika: Dabei waren Antibiotika, die speziell z. B. auf Pseudomonas aeruginosa gerichtet waren, oder solche, die nur die anaeroben Bakterien angriffen oder auch sogenannte Breitband-Antibiotika. In den Untersuchungen konnte die Arbeitsgruppe zeigen, das Wirkungen von Antibiotika-Therapien die Bakteriengemeinschaft auch indirekt beeinflussen können. In einer gut funktionierenden Gemeinschaft sorgen z. B. anaerobe Bakterien für einen pH-Wert, der andere, pathogene Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa in Schach hält. Wird das Gleichgewicht z. B. durch ein Antibiotikum gestört, so kann sich das auf die gesamte Gemeinschaft auswirken, indem fehlende Anaerobier bewirken, dass sich der pH-Wert verändert und Bakterien sich ausbreiten, die von den veränderten Bedingungen profitieren, während andere absterben. 

Es gab verschiedene Vorträge zu dem Thema. Die Informationen für diesen Text stammen hauptsächlich aus dem Vortrag von Sebastien Boutin aus Heidelberg, der auch in ein vom Mukoviszidose eV gefördertes Projekt involviert ist. Auch wurden Informationen für den Text dem Vortrag von Robert Quinn aus den USA entnommen. 

ECFS Young Investigator Award: Nachwuchsforscherin aus Hannover ausgezeichnet

Madlen Pust von der Arbeitsgruppe von Professor Burkhard Tümmler aus Hannover ist eine der drei jungen Forscher und Forscherinnen, die mit dem ECFS Young Investigator Award ausgezeichnet wurden. Sie berichtete in ihrem Vortrag über eine von der Arbeitsgruppe entwickelte Methode, um aus den Mengen von „Metagenomic“ Daten, die in mikrobiologischen Proben zu finden sind, auch die extrem seltenen Bakterien, zuverlässig aufspüren zu können. 

Die extrem seltenen Bakterien machen den Unterschied

Unter Verwendung dieser Methode wurde die Bakteriengemeinschaft in mikrobiologischen Proben der Lunge von Kindern untersucht. Dabei wurden Proben von gesunden Kindern mit denen von Mukoviszidose-Betroffenen verglichen. Die Ergebnisse überraschten die Forscher: gerade die Unterschiede bezogen auf die extrem seltenen Bakterien in der bakterien-Gemeinschaft waren so auffällig, dass sie anhand der Metagenom-Daten die gesunden Kinder von den Mukoviszidose-Betroffenen unterscheiden konnten – besser sogar als durch klinische Parameter. Die seltenen Bakterien werden von der Arbeitsgruppe als die „Schlüssel-Variablen“ bezeichnet, mit denen das Metagenom von Gesunden und Mukoviszidose-Betroffenen unterschieden werden konnte. 

Probiotische Therapie? Diversität muss erreicht und Dominanz einzelner Keime vermieden werden

Wie ein gesundes Metagenom möglicherweise über probiotische Strategien (z. B. über Verabreichung der nützlichen, „guten“ Bakterien) wiederhergestellt werden kann, soll weitere Forschung zeigen. Dafür wurde die Dynamik der mikrobiologischen Gemeinschaft durch Computer-Simulationen von der Arbeitsgruppe untersucht und die Arbeitsgruppe leitet daraus ab, dass ein gesundes Metagenom nur über eine hohe Diversität und Vermeidung von jeglicher Dominanz einzelner Bakterien erreicht werden kann. 

Dieser Bericht ist Teil unserer Serie über die europäische CF-Konferenz, die vom 9. bis 12. Juni 2021 digital stattfand. 


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