Einzelansicht

BALANCE-CF-1 Studie gestoppt: ENaC-Hemmer BI 1265162 erzielt in Studie keine ausreichende Wirksamkeit

Auch in Deutschland lief die Phase 2 Studie mit dem Medikament BI 1265162, das den Natriumkanal ENaC hemmen, so den Salz-Wasser-Haushalt ausgleichen und somit indirekt den Basisdefekt bei Mukoviszidose reparieren sollte. Doch in der Studie zeigte sich, dass das Medikament zwar im Allgemeinen sicher und ohne gravierende Nebenwirkungen eingenommen werden konnte. Auf der anderen Seite verbesserte sich aber auch die Lungenfunktion nicht, es gab sogar eine leichte Verschlechterung um 0,8% in der FEV1. Es zeigt sich, dass es immer wieder vorkommen kann, dass Medikamente in der klinischen Entwicklung hinter den Erwartungen zurückbleiben und letztlich nicht auf den Markt kommen. Doch das Prinzip der ENaC-Hemmung ist spannend, denn die Wirkstoffe würden mutationsunabhängig, also auch bei Patienten mit seltenen Mutationen, wirken. Und es gibt weitere Kandidaten.

Der Natriumkanal ENaC – Gegenspieler von CFTR

Bei Mukoviszidose trocknet der Flüssigkeitsfilm auf den Schleimhäuten ein und zähflüssiger Schleim entsteht (z.B. in der Lunge). Dies wird u.a. durch eine verstärkte Aufnahme von Natriumionen verursacht. Man kann diesen Defekt (teilweise) reparieren, in dem man die Aktivität des CFTR-Kanals wiederherstellt, wie dies aktuell mit den neuen CFTR-Modulatoren geschieht. Es gibt aber schon lange die Idee beim Gegenspieler des CFTR anzusetzen, dem Natriumkanal ENaC. Durch eine Hemmung dieses Kanals könnte man den gesunden Salz-Wasserhaushalt nachstellen und so indirekt den Basisdefekt bei Mukoviszidose reparieren. Im Labormodell funktioniert das auch gut und wurde bereits in den 1980er Jahren erfolgreich durchgeführt. Dieser Ansatz hat außerdem den Vorteil, dass er unabhängig von den vorliegenden CFTR-Mutationen wirkt und so bei allen Menschen mit Mukoviszidose eingesetzt werden könnte. Wahrscheinlich könnte man ENaC-Hemmer auch einsetzen, um die Wirkung von CFTR-Modulatoren weiter zu verstärken. Leider sind bisher klinische Studien mit ENaC-Hemmstoffen wie z.B. Amilorid nicht sehr erfolgreich gewesen (s. Cochrane-Review unten). Eine Studie mit dem Wirkstoff ION-827359 hatte leichte Verbesserungen bei der FEV1 (4,5%) ergeben. Trotzdem wird die klinische Entwicklung bei Mukoviszidose nicht fortgesetzt. 

BI 1265162

Die sogenannte BALANCE-CF-1 Studie war eine Phase 2 Studie, also eine noch relativ frühe Phase der klinischen Studienentwicklung. Sie wurde zwischen Oktober 2019 und April 2020, u.a. auch an deutschen Studienzentren, durchgeführt. Insgesamt nahmen 52 erwachsene Menschen mit Mukoviszidose an der Studie teil. Vor Durchführung der Studie hatte die Studienleitung überlegt, was man mindestens als Verbesserung beim Gesundheitszustand erwartete: So wurde eine Verbesserung der ppFEV1 von 1,5% bzw. eine LCI-Abnahme von weniger als 0,3 Einheiten definiert. Sollte diese Verbesserung nach vier Wochen nicht auftreten, würde die Studie abgebrochen. Und genau das ist passiert. Es wurde (bei Auswertung von 28 Patienten) eine Verschlechterung der ppFEV1 von 0,8% (+2,1 Einheiten im LCI) gemessen. Zum Vergleich: In den Zulassungsstudien mit dem CFTR-Modulator Kaftrio (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) zeigten sich Verbesserungen der ppFEV1 von 10-14%. Die Studienautoren spekulieren, dass vielleicht eine zu geringe Dosierung von BI 1265162 der Grund für das schlechte Abschneiden ist. Generell befürchten sie aber, dass aufgrund der vielen gescheiterten Studien mit ENaC-Hemmstoffen eventuell doch das Prinzip im Menschen einfach nicht funktioniert. 

Ausblick: Weiterer ENaC-Hemmstoff in der frühen klinischen Entwicklung

Andererseits ist das Prinzip der Hemmung des Natriumkanals zur Wiederherstellung des Salz-Wasser-Haushalts bei CF so vielversprechend, dass weiterhin neue potentielle Medikamente auf ihre Wirksamkeit hin getestet werden. So auch ARO-ENaC, mit dem laut Informationen der amerikanischen Patientenorganisation CFF und dem amerikanischen Studienregister clinicaltrials.gov, gerade eine Phase 1/2 Studie durchgeführt wird. Man kann also gespannt sein, ob irgendwann vielleicht doch ein Wirkstoff gefunden wird, der nicht nur im Laborversuch, sondern auch beim Menschen wirkt. Dieser könnte dann auch Menschen mit Mukoviszidose und seltenen Mutationen helfen, die im Moment noch nicht von den neuen Modulatoren-Medikamenten profitieren. 

Quellen und weitere Informationen

ENaC-Hemmer in der Entwicklung


Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Jutta Bend (jbend(at)muko.info). 

In diesem Beitrag werden Wirkungen bzw. Nebenwirkungen von Arzneimitteln besprochen. Diese Informationen werden durch das Mukoviszidose Institut ohne den Einfluss Dritter nach bestem Wissen und Gewissen bereitgestellt. In keinem Fall ist damit eine Empfehlung für den Gebrauch oder Nichtgebrauch eines Arzneimittels verbunden. Patienten sollten vielmehr mit ihrem Arzt/ihrer Ärztin die für sie individuell richtige Therapie besprechen.
 


Bitte unterstützen
Sie uns
35€ 70€ 100€
Jetzt spenden