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ECFS Basic Science Konferenz: Grundlagenforschung zur Mukoviszidose ist die Basis für die Entwicklung besserer oder neuer Therapien

Teilnehmer bei der ECFS Basic Science Konferenz im April in Dubrovnik. Rund 200 internationale Teilnehmer tauschten sich auf der 18. ECFS Basic Science Conference zur Mukoviszidose-Forschung aus.
Experten unter sich: immer mehr Fachwissen und Details rund um die Rolle des CFTR-Gens und des CFTR-Chlorid-Kanals und immer modernere Labormethoden bringen Jahr für Jahr neues Wissen, aber auch neue Fragen - beides ist die Voraussetzung für die Entwicklung von Ideen für bessere Therapien. Auch wenn als Ursache der Mukoviszidose Veränderungen im CFTR-Gen schon seit über 30 Jahren bekannt sind, so sind längst noch nicht alle Zusammenhänge und Auswirkungen im Körper klar, die ablaufen, wenn der CFTR-Kanal fehlt oder nicht richtig funktioniert. Die Entwicklung neuer Therapien benötigt Ideen, die vor allem dann entstehen, wenn Forscher verschiedener Fachrichtungen sich über ihre neuen Erkenntnisse austauschen. Die ECFS Basic Science Konferenz bietet über Symposien mit Vorträgen, abendliche Postersessions oder beim gemeinsamen Essen eine besondere Atmosphäre, bei der sich oft ganz zufällig Gespräche ergeben, in denen der Grundstein für neue Kooperationen und Entwicklungen gelegt wird. In diesem Jahr fand die Konferenz vom 29.3. bis 1.4. in Dubrovnik statt. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die Themen, die dort besprochen wurden.
Teilnehmer bei der ECFS Basic Science Konferenz im April in Dubrovnik. Rund 200 internationale Teilnehmer tauschten sich auf der 18. ECFS Basic Science Conference zur Mukoviszidose-Forschung aus.

Symposium 1: CFTR-Struktur,-Funktion und Regulation

In diesem Symposium ging es darum, zu verstehen was passieren muss, damit der CFTR-Ionenkanal (ein recht großes Eiweiß, welches in der Zellmembran sitzt) sich öffnet und wann er sich wieder schließt. Das benötigt Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat, die typische „Energiewährung“ der Zelle), aber was sind die Signale, die regulieren, wann der CFTR-Kanal sich öffnet oder schließt? Die dreidimensionale Struktur des CFTR-Proteins ist inzwischen ganz gut bekannt. Die Forscher müssen aber verstehen, welche Bausteine und Enzyme interagieren und welche Signalketten bestimmte Reaktionen hervorrufen. Je mehr man davon versteht, wie das CFTR-Protein in der Zelle funktioniert, desto besser können die Forscher auch bewerten, welche Veränderungen im Gen zu Fehlfunktionen im CFTR-Kanal führen können. Aus diesem Grund freuen sich die Forscher auch über jedes Puzzleteilchen, das das Bild vervollständigt. So z. B. die eher zufällige Entdeckung von Mutationen, die Mutationen an anderer Stelle im gleichen Gen aufheben können. In Chloridstrom-Messungen von einzelnen CFTR-Kanälen im Labor konnten die Forscher zeigen, dass die F508del-Mutation für die Funktion fast egal ist, wenn eine zweite Mutation, R1070W, im gleichen Gen vorhanden ist. Solche Erkenntnisse helfen den Forschern z. B. bei der Suche nach Modulatoren, die einen ähnlichen korrigierenden Effekt haben sollen.

Symposium 2: „CFTR-Interactome“

Auch die Modifikationen (z. B. das Anhängen von chemischen Strukturen) und Qualitäts-Checks, die das CFTR-Protein, zwischen Herstellung und dem Einbau in die Zellmembran erfährt und die, mit denen der CFTR-Kanal für den Abbau markiert wird, interessieren die Forscher brennend, denn das sind mögliche Ansatzpunkte, die für Therapien genutzt werden können. Viele dieser Reifungs- und Kontrollschritte sind inzwischen bekannt, die Zahl der Interaktionspartner des CFTR-Proteins ist riesig. Systembiologen erstellen aus allen beteiligten Proteinen Interaktionsmodelle, die an Karten der U-Bahnnetze großer Städte erinnern. Das „CFTR-Interactome“ ist beeindruckend, aber auch nicht ganz unerwartet, immerhin ist auch das Wort „Regulator“ seit seiner Entdeckung im Namen des CFTR-Gens (Cystic fibrosis transmembrane conductance regulator) enthalten und deutet damit schon auf mehr als nur ein Protein mit Kanalfunktion hin. 

Das Wissen um die Rolle des CFTR-Proteins in der Zelle und die Identifikation der Interaktionspartner ist wichtig, wenn Therapien an der Ursache ansetzen sollen und die Nebenwirkungen kalkulierbar bleiben sollen. 

Symposium 3: „Care for Rare“ 

Das Symposium wurde von Patientenorganisationen aus Frankreich, Großbritannien, Niederlanden, Belgien und Deutschland zusammen mit der ECFS gestaltet. „Care for Rare“ sollte die Forscher auf die CF-Patienten mit seltenen Mutationen aufmerksam machen. In Zeiten der Verfügbarkeit von Modulatoren geht es nun darum, entweder andere, mutationsunabhängige Therapien zu finden, oder aber auch Strukturen und Methoden aufzubauen, um systematisch an geeigneten Modellen im Labor untersuchen zu können, wer auf die verfügbaren Modulatoren anspricht – auch wenn andere Mutationen vorliegen, als die, für die die Medikamente bereits zugelassen sind. 

In einigen Ländern sind Programme gestartet, um an Organoiden oder Nasenepithelzellen Substanztestungen durchzuführen und die Personen zu identifizieren, bei denen die Modulatoren wirken könnten. Die Forscher sprechen hier von „Theratyping“: durch individuelle Testungen im Labor an zuvor dem Menschen entnommenen Zellen, soll die für den jeweiligen Menschen wirksame Therapie identifiziert werden. Hier wären auch individuelle Kombinationen von verschiedenen Modulatoren denkbar. 

Dabei muss auch in Richtung Zulassung gedacht werden, so dass die Patientenorganisationen einen Vortrag über die zulassungsrelevanten Aspekte und Hürden in ihrem Symposium hatten. In der EU gilt nämlich – anders als in den USA – dass die Wirksamkeit immer durch klinische Studien bewiesen werden muss. Die nur an Zellen im Labor gemessenen Daten reichen der EMA (Europäische Zulassungsbehörde) nicht aus. 

Symposium 4: Mukus und Muzine

Muzine sind extrem große Moleküle, die in den schleimproduzierenden Zellen ganz klein verpackt vorliegen und sobald sie von der Zelle freigesetzt werden, extrem expandieren. Verschiedene Muzine bilden zusammen mit anderen Proteinen bündelförmige Strukturen. Über die Zilien (Flimmerhärchen auf den Zellen) werden die Muzin-Bündel, der Mukus, nach oben befördert und mit ihnen die verschiedenen Mikroorganismen und Schadstoffe, von denen die Lunge gereinigt werden soll. Bei Mukoviszidose funktioniert dieser Reinigungsmechanismus nicht richtig. Warum das so ist, ist noch nicht vollständig verstanden und war demnach auch Thema auf der Konferenz. 

Die Forscher können die Arbeit der Muzine inzwischen im Labor an Modellen ganz gut beobachten. Videos der Forscher zeigen eindrücklich, wie effektiv Muzine Fremdkörper binden und von den Zilien über die Oberfläche transportiert werden. Das Ganze kann man sich vorstellen wie Schleppnetze, die in eine Richtung bewegt werden und dabei aufsammeln, was hängenbleibt. 

Für die Forscher ist es wichtig, möglichst gut zu verstehen, welche Faktoren die Beschaffenheit der Muzine und damit des Mukus beeinflussen. Die Viskosität muss stimmen, die Bündel müssen flexibel und reißfest sein und die chemischen Eigenschaften haben, um Mikroorganismen und andere Fremdkörper zu binden. Kennen die Forscher alle die Faktoren, die die Eigenschaften von Mukus beeinflussen, dann können auch Therapien entwickelt werden, die physiologische Beschaffenheit des Mukus (z. B. durch Mukolytika) wiederherzustellen. 

Aber das Wissen über Muzine und Mukus ist auch wichtig, um Medikamente, wie z. B. Gentherapeutika effektiv in die Lunge einbringen zu können – denn diese sollen ja nicht in den Muzinen hängen bleiben, sondern den Mukus durchdringen und in die Zellen gelangen. Spannend ist daher eine aktuelle Entwicklung, wo ein Mukolytikum (OligoG und OligoM) mit mRNA kombiniert eingesetzt werden soll: in Labortests konnte die mRNA den Mukus besser durchdringen, obwohl mRNA (und auch DNA) aufgrund ihrer chemischen Eigenschaft sonst im Mukus hängenbleibt.

Symposium 5: Inflammation und Modulatoren

Modulatoren wirken direkt am CFTR-Protein, entweder indem die Reifung (Korrektoren) oder die Kanalaktivität (Potentiatoren) beeinflusst wird – beides führt zu einer Verbesserung des CFTR-Chloridtransports über die Zellmembran. 

Aber was ist mit dem Entzündungsgeschehen in der Lunge? Wird das auch besser unter der Therapie mit Modulatoren? Hierzu sind die Ergebnisse noch nicht eindeutig und es kommt stark darauf an, wann welche Untersuchungen gemacht werden und was gemessen wird. Interessant ist die Feststellung, dass das Entzündungsgeschehen auch die Wirksamkeit von Modulatoren beeinflussen kann: Interleukin-1ß (Il-1ß, ein typischer Entzündungsmarker in der Lungenflüssigkeit) verbessert in Laboruntersuchungen sogar die Effektivität von Korrektoren – wahrscheinlich, weil eine entzündete Zelle in Alarmbereitschaft ist und die Reifung/Herstellung von benötigten Proteinen hochfährt. 

Von dieser Beobachtung sollte man natürlich nicht ableiten, dass das CF-typische Entzündungsgeschehen positiv in Bezug auf die Modulatoren gesehen werden soll. Das Wissen ist aber wichtig, um bessere antientzündliche Medikamente zu entwickeln, die auf das Mukoviszidose-typische Geschehen angepasst sind. Aber auch um die Wirkung von Modulatoren besser zu verstehen, die ja oft unterschiedlich ist - auch wenn die gleichen Mutationen vorliegen. 

Symposium 6: Andere ABC-Proteine und deren Antwort auf Modulatoren

Das CFTR-Protein hat verwandte Proteine, es gehört zur „Familie der ABC-Transporter“. Sie alle sind Membranproteine und haben eine Stelle, an der ATP bindet, was für die Transportfunktion wichtig ist. 

Was die verschiedenen ABC-Proteine transportieren, ist sehr unterschiedlich. Aber der Gedanke liegt nahe, Modulatoren auch bei ähnlichen Mutationen in diesen anderen ABC-Transportern einmal auszuprobieren. Diese Experimente und der Austausch mit Experten, die an ähnlichen Proteinen arbeiten, ist interessant, weil daraus Rückschlüsse auf die Wirkungsweise und Spezifität der Modulatoren gezogen werden können. Untersuchungen mit Korrektoren am ABCB4 Protein (ein Phospholipidtransporter, Mutationen können zu Lebererkrankungen führen) mit Klasse II Mutationen zeigte jedoch erstmal keine Wirkung.

Der Austausch von Membranprotein-Experten hilft, Synergien zu nutzen, um vielleicht ganz neue Modulatoren zu entwickeln. So berichteten in dem Symposium auch gleich drei verschiedene CF-Arbeitsgruppen über deren aktuelle Neuentwicklungen: Nanobodies (ähnlich wie Antikörper, aber einfacher in der Struktur) aus Lamas; CBb Untereinheit eines Proteins der Klapperschlange; neuer Korrektor der Firma AbbVie. Es wäre schön, wenn einige der Substanzen auch den Schritt in Richtung klinische Forschung gehen würden, aber dafür müssen die Substanzen erst noch weiter im Labor an geeigneten präklinischen Modellen untersucht werden. 

Symposium 7: Gen-basierte Therapien

Hier tut sich derzeit richtig viel, die Forschung verfolgt dabei verschiedene Wege. Einen grundsätzlichen Überblick über gentherapeutische Ansätze zur Behandlung der Mukoviszidose ist auf unserer Internetseite zu finden: www.muko.info/mukoviszidose/forschung/gentherapie


Der genbasierte Wirkstoff (z. B. das CFTR-Gen; die CFTR mRNA; Werkzeuge, die vor Ort das Original-Gen reparieren) ist nicht mehr das Hauptproblem, aber der Weg, das Medikament gleichzeitig effizient und spezifisch nur in die Zellen und das Gewebe zu bringen, wo es benötigt wird, ist die Hürde, an der gearbeitet wird. Und natürlich die Sicherheit – das ist ebenfalls noch immer ein Thema und steht auch im Raum, wenn es um eine Gentherapie bei Mukoviszidose geht. 

„Basic Science“ ist daher wichtig, um eine Gentherapie bei Mukoviszidose sicher realisieren zu können. So gingen die Forscher vor Jahren davon aus, dass die Zilien-tragenden Zellen an der Oberfläche des Lungenepithels die Zellen sind, in die das Gentherapeutikum gelangen muss. Inzwischen wissen die Forscher sehr viel mehr über die verschiedenen Zellen und deren Vorkommen und Verteilung in der Lunge („Zell-Atlas“ der Lunge). Sie wissen, dass die sekretorischen Zellen, die Basalzellen und die Ionocyten mit einem Gentherapeutikum erreicht werden müssen, da in diesen Zellen besonders viel CFTR-Protein nachgewiesen wurde. Die Lunge ist aber von Natur aus darauf vorbereitet, Fremdkörper aus der Lunge zu entfernen, demnach stellen die effektive Mukoziliäre Reinigung und die Muzinschicht eine natürliche Barriere für inhalativ verabreichte Gentherapeutika dar. Gut zu wissen, dass auf dieser Konferenz die Forscher, die an Gentherapien arbeiten das Gespräch mit den Muzin-Experten suchten – und umgekehrt.

Symposium 8: Alternative Angriffspunkte für Therapien

In diesem Symposium ging es um Therapien, die völlig unabhängig von der CFTR-Mutation wirken sollen. Dafür wird an anderen Membranproteinen geforscht, die bei verringerter CFTR-Funktion dennoch für einen ausgeglichenen Ionentransport sorgen könnten: entweder, indem ein natürlich vorkommendes Kanalprotein in der Zelle therapeutisch adressiert wird, oder auch durch künstliche Kanalproteine (TAVT-135 als Entwicklung von TAVANTA Therapeutics), die als CFTR-Ersatz in die Membran geschleust werden könnten. 

Das heißt, auch hier werden verschiedene Ansätze verfolgt und es gibt Experten für die verschiedenen Membranproteine. Die natürlichen Membranproteine TMEM16A und SLC26A4 sind solche Kandidaten für alternative Angriffspunkte in der Mukoviszidose-Forschung und werden auch schon seit längerem erforscht, denn ein umfassendes Wissen zur Rolle dieser Proteine ist enorm wichtig, wenn therapeutisch in das natürliche Gleichgewicht und Gefüge von Membranproteinen eingegriffen werden soll. 

Inzwischen sind gute Vorarbeiten und Grundlagen geschaffen, so dass hoffentlich bald verschiedene Substanzen (z. B. TMEM16A-Modulatoren, durch Screening-Programme an Zellmodellen identifiziert), prä-klinisch hinsichtlich der Wirkung und Sicherheit untersucht werden können. 

Die ECFS Basic Science Konferenz hat wieder einmal gezeigt, wie viele Forscher sich darum kümmern, Mukoviszidose immer besser therapierbar zu machen. Es ist gut möglich, dass zukünftig auch Zellen in den betroffenen Organen gentherapeutisch behandelbar werden und bei frühzeitiger Anwendung Symptome dort gar nicht erst entstehen. Das große Ziel aber ist, allen Menschen mit Mukoviszidose wirksame Therapien anbieten zu können und darum ist es ganz wichtig die Auswirkungen einer eingeschränkten CFTR-Funktion umfassend und in den verschiedenen zellulären Zusammenhängen zu verstehen, nur dann können optimale und individuelle Therapien entwickelt werden. 


Dr. Sylvia Hafkemeyer
Forschungsförderung / Registerstudien
Tel.: +49 (0)228 98780-42
E-Mail: SHafkemeyer(at)muko.info


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