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G-BA-Beschluss enttäuscht: Mukoviszidose e.V. kritisiert Ausschluss pilzlicher Verdauungsenzyme von der Erstattung

Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses | © Svea Pietschmann/G-BA

Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses | © Svea Pietschmann/G-BA

Trotz intensiver Bemühungen der Patientenvertretung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschieden, pilzliche Verdauungsenzyme wie Nortase® nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen erstatten zu lassen. Diese Entscheidung könnte für viele Betroffene eine Umstellung bedeuten. Während Enzyme wie KREON weiterhin verfügbar sind, sollten Patienten, die bisher auf pilzliche Präparate angewiesen waren, nun gemeinsam mit ihrem Arzt nach Lösungen suchen. Besonders wichtig: Kinder unter zwölf Jahren sind von der Neuregelung nicht betroffen.
Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses | © Svea Pietschmann/G-BA

Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses | © Svea Pietschmann/G-BA

Bis zum endgültigen Beschluss haben wir uns als Patientenvertretung dafür eingesetzt, dass pilzliche Verdauungsenzyme wie die Nortase® weiterhin in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Leider hat sich der G-BA weder von zahlreichen Expertenvoten noch von der Einschätzung der Patientenvertretung von seiner Entscheidung abbringen lassen und hat heute (20.2.2025) in seiner öffentlichen Plenumssitzung den Beschluss zum faktischen Verordnungsausschluss getroffen. 

Neue Definition mit weitreichenden Folgen: Pilzliche Enzyme nicht mehr erstattungsfähig

Der G-BA stellte in seinem Beschluss klar, dass die Institution unter dem Begriff „Pankreasenzyme“ nur „aus dem Pankreas gewonnene Enzyme“ versteht. Diese kleine Umformulierung klingt erst einmal unbedeutend. Doch in der Praxis heißt das: Verdauungsenzyme wie die pilzliche Nortase® können nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Denn die neue Formulierung steht in der Anlage I der Arzneimittelrichtlinie. Dabei handelt es sich um eine Liste mit nicht- verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden dürfen. Generell werden apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nämlich nicht von den Krankenkassen erstattet. Ausnahmen gibt es nur für Arzneimittel, die als Therapiestandard bei einer schwerwiegenden Erkrankung gelten, eben die, die auf der o.g. Liste stehen. 

Pilzliche Verdauungsenzyme kein Therapiestandard (mehr)

Obwohl die pilzlichen Verdauungsenzyme bei Mukoviszidose schon seit Jahrzehnten im Einsatz sind, hat der G-BA nun entschieden, diese gängige Praxis zu beenden und klarzustellen, dass nur Verdauungsenzyme aus dem Schweinepankreas, z.B. KREON, Panzytrat etc., als Therapiestandard angesehen werden können und zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden dürfen. Damit haben wir in Deutschland nun eine ähnliche Situation wie in anderen Ländern, in denen die pilzlichen Verdauungsenzyme gar nicht auf dem Markt sind. 

KREON weiter erstattungsfähig

Präparate wie KREON oder Panzytrat werden aus Schweinepankreas gewonnen und können weiterhin zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Wenn man bisher pilzliche Präparate bekommen hat, sollte man zunächst seinen behandelnden Arzt ansprechen, welche alternative Möglichkeiten nun in Betracht kommen. Zumindest theoretisch ist es möglich, die Präparate selbst in der Apotheke zu kaufen, was aufgrund der Kosten aber sicherlich nicht für viele in Frage kommen dürfte. Bei Unverträglichkeiten etc. dürfte es Ausnahmen geben, die aber bei den Krankenkassen im individuellen Fall beantragt werden müssen. 

Kinder nicht betroffen

Immerhin gilt die Regelung erst ab einem Alter von zwölf Jahren. Bei Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen gibt es eine andere gesetzliche Grundlage (Anlage III der Arzneimittelrichtlinie), die nicht geändert wurde; hier können die pilzlichen Enzyme weiterhin verordnet werden und werden auch von den Krankenkassen erstattet. Denn in der Leitlinie für Kinder mit Mukoviszidose gibt es eine Empfehlung für die pilzlichen Enzyme, was wir als Patientenvertretung im G-BA Verfahren erfolgreich anführen konnten. 

Hintergrund: Mukoviszidose und die Bauchspeicheldrüse

Bei den meisten Menschen mit Mukoviszidose liegt u.a. eine Störung der Funktion der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) vor und sie müssen Verdauungsenzympräparate einnehmen, um dies auszugleichen. Dies ist nötig, um normal zu wachsen und Nährstoffe/Vitamine normal aufnehmen zu können und keine Mangelernährung zu bekommen. Insofern sind Menschen mit Mukoviszidose zwingend auf solche Verdauungsenzyme angewiesen. Ein schlechter Ernährungszustand führt zu einer verschlechterten Widerstandskraft und stärkerer Lungenerkrankung, was zu einem höheren Energiebedarf führt, was wiederum den Ernährungszustand verschlechtert: ein Teufelskreis. Experten schätzen die Häufigkeit des Einsatzes von pilzlichen Verdauungsenzymen bei Erwachsenen mit Mukoviszidose auf 20-30%. 

Hintergrund: G-BA Verfahren

Ursprung des G-BA Verfahrens waren Hinweise aus der Versorgung, dass unterschiedliche Auffassungen bzgl. der Verordnungsfähigkeit von Pankreasenzymen bestünden. In dem daraufhin eingeleiteten G-BA Verfahren wurden auch Mitarbeitende des Mukoviszidose e.V. als Patientenvertreter ohne Stimmrecht eingebunden. Vor einem Jahr wurde dann ein Stellungnahmeverfahren eingeleitet, zu dem sich auch zahlreiche Experten aus Mukoviszidose-Zentren äußerten. Am 20.2.2025 wurde in der öffentlichen Plenumssitzung der Beschluss getroffen, den Wortlaut der Anlage I der Arzneimittelrichtlinie in der Version, wie sie bereits ins Stellungnahmeverfahren gegangen ist, zu ändern. Wir als Patientenvertretung haben diesen Beschluss nicht mitgetragen! 

Weitere Informationen

Anlage I der Arzneimittelrichtlinie