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Zusammenarbeit auf europäischer Ebene – gemeinsam für die Forschung

Die Logos der Organisationen ECFS-CTN, ECFS und CF Europe (von links nach rechts)
Eine seltene Erkrankung kann man nicht alleine besiegen. Um die Forschung auf dem Gebiet der Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) voran zu bringen und neue Therapien zu entwickeln, braucht es starke Netzwerke. Die Winter Meetings der ECFS (European Cystic Fibrosis Society) bieten eine gute Gelegenheit, solche Kooperationen und Netzwerke zu entwickeln und weiter auszubauen. Auch eine Beteiligung von Patientenvertretern spielt dort eine immer größere Rolle. Leider musste das Treffen in diesem Jahr wegen der Pandemie noch einmal als Online-Veranstaltung durchgeführt werden. Wir vom Mukoviszidose e.V. waren bei der Veranstaltung vom 26. bis 28. Januar 2022 aber trotzdem wieder mit dabei und berichten hier von aktuellen Initiativen, die aus der Kooperation von Patientenorganisationen, dem europäischen Register und dem europäischen Studiennetzwerk entstanden sind.
Die Logos der Organisationen ECFS-CTN, ECFS und CF Europe (von links nach rechts)

Welche Forschungsthemen sollten Priorität haben? Patient Priority Projekte

Viele Forschungsprojekte und noch mehr Forschungsthemen sind vorstellbar. Aber welche helfen Menschen mit Mukoviszidose am besten? Wo sollte investiert werden? Welche Schwerpunkte sollten in der Forschung gesetzt werden? Um solche Fragen drehen sich mehrere aktuelle Projekte zur Erfassung von Patienten-Prioritäten in der Forschung und ist vor allem ein Anliegen der Patient Organisation Research Group (PORG). Dies ist ein Zusammenschluss von elf Europäischen Patientenorganisationen, die Forschungsförderung unterstützen und die ebenfalls im Rahmen der Wintermeetings zusammenkommen.

Aktuell gibt es zwei Initiativen zur Erhebung der Forschungsprioritäten. Auf Initiative von PORG hat die europäische Patientenorganisation CFE (Cystic Fibrosis Europe) eine Umfrage an alle ihre 39 Mitgliedsorganisationen in Europa geschickt und nachgefragt, welche Themen die wichtigsten in der Forschung sind. Die Ergebnisse liegen vor und sollen in Kürze in einer wissenschaftlichen Publikation aufbereitet werden. 

Aus England kommt ein ähnlicher Ansatz. Bereits vor einigen Jahren, vor der Einführung der hochwirksamen Modulatorentherapien, wurde über die James Lind Alliance (JLA) ein strukturierter Ansatz zur Prioritätenfindung durchgeführt. So fand sich u.a. das Thema Reduktion der Therapielast unter den Top Ten der JLA-Forschungsprioritäten. Jetzt soll es eine neue Befragung geben, die die Modulatorentherapien einbezieht. Dafür wurde der neue Fragebogen in verschiedene Sprachen übersetzt, so dass Menschen mit Mukoviszidose und Behandelnde aus verschiedenen europäischen Ländern teilnehmen können. Ende 2022 sollen die Ergebnisse vorliegen. 

Der Mukoviszidose e. V. ist in beide Initiativen involviert. Die JLA-Umfrage haben wir in die deutsche Sprache übersetzt, um den Zugang aus Deutschland zu vereinfachen (Link s. unten). 

Von Lebensqualität zu „patientenberichteten Endpunkten“ (PRO)

Wenn ein neues Medikament in klinischen Studien, z.B. im Europäischen Studiennetzwerk getestet wird, möchte man natürlich wissen, wie gut es wirkt. In der Regel misst man deshalb die Lungenfunktion und verschiedene Laborwerte. Zunehmend werden aber auch die Studienteilnehmer gefragt, wie sie sich fühlen. Es gibt Fragebögen, die die Lebensqualität und die Krankheitslast erheben. 

Die Krankheit Mukoviszidose hat sich aber in den vergangenen Jahren sehr verändert. Die existierenden Fragebögen sind deshalb nicht mehr so gut geeignet, um eine Verbesserung durch ein Medikament zu bestimmen. Deshalb haben CFE und das europäische Studiennetzwerk vor Jahren eine gemeinsame Initiative gestartet. 

Inzwischen gibt es den neuen Fragebogen PRO-CF, der gerade in Frankreich validiert wird. Die nächsten Schritte sind dann die Übersetzung in verschiedene Sprachen und die Validierung in den jeweiligen Ländern. Auch weitere Versionen, z.B. eine Kurzversion und eine Version für Kinder, sollen entwickelt werden. 

Einen anderen Ansatz verfolgt ein niederländisches Projekt mit der QLifeApp. Hier soll jeder Teilnehmende zunächst einmal definieren, was für ihn oder sie wichtig ist, und dann eine Veränderung dieses Lebensqualitätsparameters beobachten. Das Projekt befindet sich in einer frühen Testphase (mehr Informationen s.Link unten). 

EYIM, ein Treffen europäischer Nachwuchsforscher, soll den Weg in die CF-Forschung bahnen

Europa macht gemeinsame Sache im Bereich der Nachwuchsförderung. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann bestärken und neue Impulse setzen. Und Forschung geht sowieso am besten in Kooperation – und bei seltenen Erkrankungen trifft das umso mehr zu. Der Blick über die nationalen Grenzen hinweg ist unbedingt notwendig, um sich mit CF-Forschern im In- und Ausland – austauschen und vernetzen zu können. 

Das gilt vor allem für junge Forscher, die am Beginn ihrer Karriere stehen. Kontakte sind hier oft entscheidende Wegweiser. Der Mukoviszidose e. V. engagiert sich daher schon lange im Bereich der europäischen Nachwuchsförderung. Was vor Jahren mit einer bilateralen Initiative zwischen Frankreich und Deutschland anfing, ist zu einer etablierten wissenschaftlichen Veranstaltung geworden, das European Young Investigator Meeting (EYIM). 2022 sind es die Patientenorganisationen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland, die zum 15. EYIM eingeladen haben – nachdem die Veranstaltung 2021 Corona-bedingt leider ausfallen musste. 

Die Resonanz war beeindruckend: 86 junge CF-Forscher aus ganz Europa haben sich beworben, um ihre CF-Forschung vorstellen und mit anderen diskutieren zu dürfen. Deutschland war unter den Antragstellern mit 23 Bewerbungen ganz vorne mit dabei. Internationale Gutachter bewerten die Bewerbungen, maximal 40 Teilnehmer werden anschließend eingeladen. 2022 werden es 14 (!) aus Deutschland sein – eine gute Quote. 

Leider muss das EYIM jedoch auch 2022 digital stattfinden, die europäischen Patientenorganisationen geben aber nicht auf und sind sicher, bald wieder nach Paris einladen zu dürfen. Finanziert wird die Veranstaltung durch die Patentenorganisationen und über Sponsorengelder. 

Pre Conference Meeting: Das Europäische Expertentreffen zu brennenden CF-Forschungsfragen

Da müsste dringend etwas in der CF-Forschung getan werden… Die Patientenorganisationen horchen auf, wenn sie das hören. Denn so ergeben sich die Themen für das nächste oder übernächste Pre Conference Meeting (PCM). Die Veranstaltung hat ebenfalls schon Tradition und wird wie das EYIM gemeinsam von Europäischen Patientenorganisationen organisiert (Frankreich, UK, Belgien, Niederlande, Deutschland). 

Das PCM kann man als Expertentreffen verstehen, um ein Thema rundherum zu beleuchten – mit dem Ziel aktuelle Fragestellungen abzuleiten, die schnellstmöglich von der Forschung beantwortet werden sollten – um damit die CF-Therapie langfristig verbessern zu können. 2022 steht die Veranstaltung unter der Überschrift „Antimikrobielle Resistenz“. Jane Davies (London) und Pavel Drevinek (Prag) moderieren die Veranstaltung, zu der sieben weitere Experten zu den verschiedenen Fragestellungen eingeladen wurden. 

Finanziert wird die Veranstaltung anteilig von den Patientenorganisationen und der Europäischen CF Gesellschaft (ECFS). Das Meeting findet immer als Vorveranstaltung der Basic Science Konferenz der ECFS statt, so dass Synergien genutzt werden können und der Reise- und Kostenaufwand für alle Beteiligten minimiert wird. 

Seitens des Mukoviszidose e. V. ist Dr. Sylvia Hafkemeyer in die Organisation beider Veranstaltungen eingebunden und steht daher in regelmäßigem Kontakt zu ihren Europäischen Kollegen der Patient Organisation Research Group (PORG). 

Europäische Projekte

Verschiedene europäische Projekte werden derzeit durchgeführt – immer auch mit Beteiligung der Patientenorganisationen und oft mit öffentlichen EU-Fördergeldern: 

Hit-CF: Um die Wirksamkeit von Modulatoren auch bei seltenen Mutationen untersuchen zu können, wird dieses Organoid-Projekt durchgeführt. Es soll aus Patientenzellen ein Labormodell entwickelt werden, das die Wirkung eines Modulator-Medikaments im Patienten vorhersagen kann. Die erste Phase des Projektes ist abgeschlossen. Im nächsten Schritt soll nun eine klinische Studie durchgeführt werden, in der die Vorhersagekraft des Modells überprüft wird. Die Studie soll in der ersten Hälfte 2022 starten.

CAR-CF: Die Corona-Antikörper-Studie bei Menschen mit Mukoviszidose ist das erste Studienprojekt, das durch das Europäische Studiennetzwerk ECFS-CTN selbst initiiert wurde. Um solche Projekte zukünftig regelmäßig durchführen zu können, wurde ein Gremium gebildet (ITC), in dem Dr. Jutta Bend vom Mukoviszidose e.V. die Patientenorganisationen vertritt. Auch im „Executive Committee“ des Studiennetzwerks ist sie vertreten. Für CAR-CF konnte durch diese Zusammenarbeit die Übersetzung der Patienteninformationsdokumente in die jeweiligen Landessprachen erfolgen und so die Studie gemeinsam von Ärzten und Menschen mit Mukoviszidose auf den Weg gebracht werden.

Aufgrund der Einführung von hocheffektiven Modulatoren wie Kaftrio, wurden mehrere Studien leider eingestellt. Die Durchführung von Studien bei Patienten, die Modulatoren nehmen, ist zunehmend schwierig. So sind häufig Sputumproben ein wichtiger Bestandteil der Studien – unter Kaftrio produzieren Patienten aber häufig kaum noch Sputum. Die herkömmliche Studiendurchführung muss also überdacht werden – auch eine Aufgabe für die CF-Netzwerke. 

Weiterführende Informationen/Links:


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