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Chloroquin und Hydroxychloroquin: Studien zu Covid-19 ausgesetzt – Diskussionen unter Forschern angefacht

Intensive Diskussionen finden derzeit in der Fachwelt zum Thema Chloroquin und Hydroxychloroquin statt.

Eine hochrangig publizierte Studie führt umgehend dazu, dass Covid-19 Studien zu den Malariamedikamenten gestoppt werden und vor der Verabreichung des Medikaments zur Behandlung von Covid-19-Patienten gewarnt wird. Nur wenige Tage später ist in einem offenen Brief von Ärzten an den Herausgeber der Fachzeitschrift zu lesen, dass die Datenerhebung und Analyse nicht nachvollzogen werden kann und daher die Aussage der Studie fraglich sei. Stand vom 4.6.2020 ist, dass die Herausgeber einen Warnhinweis bezüglich der publizierten Studie veröffentlicht haben und die wissenschaftlichen Fragen in Kürze durch die Autoren zu beantworten sind.

Diese öffentlich ausgetragene Diskussion führt einem sehr deutlich vor Augen, unter welchem zeitlichen Druck derzeit neues Wissen zu Covid-19 produziert und veröffentlicht wird, um den Kampf gegen die Pandemie zu gewinnen. Die Diskussion kann damit auch dafür sensibilisieren, Informationen immer kritisch zu betrachten und mehrere Stimmen einzuholen.

Nachfolgend möchten wir Ihnen die aktuell diskutierte Studie zusammenfassen:

WHO stoppt Untersuchung in Covid-19-Studie aufgrund aktueller Publikation in Fachzeitschrift

Eine internationale Metaanalyse zu den Malariamedikamenten Chloroquin und Hydroxychloroquin wurde Mitte Mai in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet publiziert. In dieser Arbeit wurde untersucht, ob die Verabreichung der Malariamedikamente den Verlauf einer schweren Covid-19-Erkrankung gebessert hat im Vergleich zu den Patienten, die das Medikament nicht erhalten haben. Wichtig ist zu wissen, dass es sich hier nicht um eine systematisch geplante klinische Studie handelt, sondern um eine internationale Beobachtungsstudie, für die klinische Daten über die Anwendung der Malariamedikamente bei stationär aufgenommenen Covid-19-Patienten, ausgewertet wurden. Insgesamt flossen Daten von 14.888 Covid-19-Patienten ein, die Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin erhalten hatten. Als Kontrolle dienten Daten von insgesamt 81.144 ebenfalls stationär behandelten Covid-19-Patienten – alle ohne Malariamedikament-Behandlung. Diese Beobachtungsstudie hat ergeben, dass der Verlauf der Erkrankung nicht durch das Malariamedikament verbessert werden konnte – im Gegenteil, es verstarben sogar mehr Patienten, die Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin erhalten hatten. Häufig stand der Tod dabei in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Komplikationen, die als Nebenwirkungen der Medikamente bekannt sind. Die WHO hat unmittelbar nach Veröffentlichung dieser Auswertung veranlasst, dass die Untersuchung von Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin in der internationalen SOLIDARITY-Studie gestoppt wird (über die SOLIDARITY Studie haben wir u. a. am 26. März auf unserer Internetseite berichtet).

Covid-19-Studien in Deutschland zu Malariamedikamenten ausgesetzt

Auch in Deutschland wurde Ende Mai entschieden, die Studien zu den Malariamedikamenten zur Behandlung einer Covid-19-Erkrankung zunächst auszusetzen. Ob die Studien allerdings ganz abgebrochen werden sollen, wird aktuell diskutiert. Die veröffentlichten Daten zu der Beobachtungstudie beziehen sich auf schwer kranke Covid-19-Patienten, denen das Malariamedikament vermutlich auch, mangels therapeutischer Alternative, verabreicht wurde. Vorerkrankungen des Herzens lagen bei einigen der behandelten Patienten vor.
Eine gut geplante, randomisierte, kontrollierte klinische Studie zur Untersuchung der Malariamedikamente bei Covid-19 ist bislang nicht durchgeführt worden und eine mögliche positive Wirkung durch eine frühzeitige Verabreichung bei beginnender Covid-19-Symptomatik ist denkbar. Professor Peter Kremsner, der Koordinator der beiden deutschen Studien zur Wirkung von Hydroxychloroquin bei Covid-19, ist zuversichtlich, dass seine Studien, die der Frage nach einer frühen Verabreichung des Medikaments nachgehen, fortgesetzt werden können. Patienten mit Herzerkrankungen hatte er wegen der bekannten Nebenwirkungen auch schon vor der aktuellen Diskussion nicht in seine Studien aufgenommen.

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05. Juni 2020, Dr. Sylvia Hafkemeyer


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