10 % Lungenfunktionsverbesserung (ppFEV1) bei Respondern
84 Patienten haben inzwischen in Frankreich an dem Härtefall-Programm teilgenommen. Infrage kommen für das Programm Patienten ab zwölf Jahre mit einer Lungenfunktion unter ppFEV1<40 und/oder auf der Warteliste für eine Lungentransplantation. Eine F508del-Mutation ist ausgeschlossen. Bei 45 (54%) dieser Patienten wirkte Kaftrio gut. Alle Patienten mit einer Mutation, für die Kaftrio aufgrund von Labordaten in den USA zugelassen ist, waren Responder. Die Daten bestätigen also die Wirksamkeit von Kaftrio bei 13 der 177 in den USA zusätzlich zugelassenen Mutationen (für die es in Deutschland keine Zulassung gibt!). Aber auch für weitere seltene Mutationen konnte eine Wirksamkeit gezeigt werden (z.B. N1303K; Liste s. unten). Für die Responder wurde eine mittlere Verbesserung der Lungenfunktion (ppFEV1) von 10% gezeigt und es gab weniger Sputum und Husten. Die Indikation zur Lungentransplantation konnte in mehreren Fällen aufgehoben oder aufgeschoben werden und auch Sauerstofftherapien konnten zurückgefahren werden. Der Schweißchloridwert reduzierte sich ebenfalls (im Mittel um 30mmol/l), was für den zugrundeliegenden Effekt auf den CFTR-Kanal spricht. Die Responder erhielten auch nach der vier- bis sechswöchigen Einnahme auf Probe Kaftrio weiter und die Krankenkassen erstatten die Kosten.
Bei zwei Stoppmutationen wirkte Kaftrio nicht
In der Non-Responder Gruppe hingegen senkte sich der Schweißchloridwert nicht und Lungenfunktion und Gewicht verbesserten sich ebenfalls nicht. Drei Patienten mussten transplantiert werden und ein weiterer verstarb an einer schweren Exazerbation. Ein Teil der Patienten (38%) berichtete zunächst über weniger Husten/Sputum, so dass das unabhängige Komitee bei zehn der Patienten aus der Non-Responder Gruppe zunächst eine Verlängerung der Kaftrio-Behandlung beschloss. Nach zwei weiteren Monaten zeigte sich aber keine anhaltende Verbesserung bei Lungenfunktion und Schweißtest, so dass schlussendlich bei keinem der Patienten eine Wirksamkeit gezeigt werden konnte. Die anfänglichen Verbesserungen bei Husten/Sputum waren wahrscheinlich auf andere Therapien (Antibiotika) zurückzuführen. Insbesondere Patienten mit zwei Stoppmutationen zeigten nie eine Verbesserung durch Kaftrio, was die bisherige Vermutung bestätigt, dass in diesen Fällen kein/zu wenig CFTR vorhanden ist, an dem Kaftrio angreifen und wirken könnte. Für Patienten mit zwei Stoppmutationen wird deshalb auch in Hinblick auf die Nebenwirkungen die Einnahme von Kaftrio nicht empfohlen. Für Patienten mit Stoppmutationen wird weiter an neuen Therapiemöglichkeiten geforscht (z.B. Gentherapie; Link s.unten).
N1303K zeigt besonders starke FEV1-Verbesserung
Patienten mit mindestens einer N1303K-Mutation profitierten im französichen Härtefallprogramm in Bezug auf die Lungenfunktion besonders stark von Kaftrio (ppFEV1: +27,5%), während der Schweißchloridwert nur leicht sank (9mmol/l). In Deutschland ist die N1303K-Mutation eine der häufigeren Mutationen: Laut deutschem Mukoviszidose Register (2021) kommt die N1303K-Mutation 268mal vor.
Nebenwirkungen ähnlich wie bei F508del
Die Nebenwirkungen waren ähnlich wie bei den häufigeren Mutationen (z.B. Hautausschlag) und entsprachen damit den bereits bekannten Nebenwirkungen. Einer der Patienten musste die Behandlung mit Kaftrio aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen.
Kaftrio wirkt bei ca. der Hälfte der Patienten mit seltenen Mutationen
Die Studie zeigt, dass in Frankreich wahrscheinlich ungefähr die Hälfte der Patienten mit nicht-F508del-Mutation über zwölf Jahren mit schwerer Lungenerkrankung von Kaftrio profitieren kann. Damit würde sich der Anteil der Patienten in Frankreich, für die kein Modulator in Frage kommt, von 17 auf 8-10% verringern. Für Patienten mit solchen seltenen Mutationen ist es nicht möglich, randomisierte klinische Studien durchzuführen – entsprechend gibt es bisher auch keine Zulassung für diese seltenen Fälle. Viele der Patienten mit einer seltenen Mutation profitieren aber, wie die Daten aus dem Härtefallprogramm zeigen, genauso wie Patienten mit der häufigen F508del-Mutation, für die eine Zulassung vorliegt. Und das Sicherheitsprofil ist inzwischen etabliert und unterscheidet sich offenbar nicht bei den verschiedenen Mutationen. Die Autoren schlussfolgern, dass mehr individuelle Tests von Kaftrio bei einzelnen Patienten mit seltenen Mutationen und mit wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt werden sollten, um die jeweilige Wirksamkeit festzustellen. In Deutschland ist die Verordnung von Kaftrio bei nicht-F508del-Mutation bisher nur in Ausnahmefällen (off-label Antrag bei der Krankenkasse) möglich. In Frankreich wurde eine Erweiterung des Härtefallprogramms für Kinder ab sechs Jahre beantragt.
Über Kaftrio/CFTR-Modulatoren
Kaftrio enthält die Wirkstoffe Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor und wird mit Ivacaftor kombiniert verordnet. Bei allen diesen Wirkstoffen handelt es sich um sogenannte CFTR-Modulatoren. Der CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) ist ein Chloridkanal, der bei der seltenen Erbkrankheit Mukoviszidose defekt ist. CFTR-Modulatoren greifen an diesem Molekül an und stellen seine Funktion teilweise wieder her. Man unterscheidet Korrektoren und Potentiatoren. Elexacaftor und Tezacaftor sind Korrektoren; Ivacaftor ist ein Potentiator. Auch Elexacaftor hat neueren Daten zufolge eine Potentiator-Wirkung. Potentiatoren aktivieren bereits vorhandenes CFTR, während Korrektoren dafür sorgen, dass überhaupt CFTR gebildet wird. Kaftrio ist in Deutschland zugelassen für Menschen mit Mukoviszidose ab sechs Jahre und mindestens einer F508del-Mutation im CFTR-Gen.
Weitere Informationen zu Kaftrio
Die in der Studie untersuchten Mutationen:
Responder: S364P*/S364P*; R347P*/R347P*; R347P*/R334W; R347P*/N1303K; H1085R*/N1303K (2); G85E*/G85E* (2); G85E*/R334W; G85E*/Q493X; G85E*/2622+1G>A; I601F*/621+2T>G; M1101K*/3396delC; S492F*/R1066C; R74W;V201M;D1270N*/711+1G>T; D1152H*/W1282X; S549N*/S549N*; S977F*/S977F*; I601F*/S945L*; S549N*/N1303K; G551D*/G542X; G551D*/Y1092X; D1152H*/W1282X; N1303K/N1303K (6); N1303K/R1162X (2); R334W/ M1T (2); R1066C/ 2937_2942delinsTCAGA; R1066C/ E585X; A561E/ del exon 2; 3041-15T>G/ 3041-15T>G; T1086I/E292K; Q552P/711+1G>T; 1341G>A/2347delG; 4374+1G>A/4374+1G>A; 1717-1G>A/2183AA>G; 2789+5G>A/2183AA>G; 2789+5G>A/ 3120+1G>A; 3849+10kb C->T/G542X
*= in den USA ist Kaftrio für diese Mutationen zugelassen
Kursiv= Patienten hatten vor dem Härtefallprogramm bereits Ivacaftor (Kalydeco) genommen
Non-Responder: 2789+5G>A/ 3120+1G>A; 2789+5G>A/2789+5G>A; 2789+5G>A/K710X; 1811+1.6kb A>G/ 1811+1.6kb A>G; 4096-3C>G/4096-3C>G; L558S/2183 AA->G; c.2989-313A>T/2942 insT; I507del/711+1G>T; I507del/R553X; K464N/3659delC; 1717-1G>A/3659delC; M1T/ M1T; 357delC/ 357delC; c.3469-2880_3717+2150del/c.3469-2880_3717+2150del; 711+1G>T/711+1G>T; 1525-1G>A/1525-1G>A (2); 2183AA>G/2183AA>G; 3120 +1G>A/3120 +1G>A (2); Q493X/2183AA>G; G542X/2183AA>G; G542X/ 4271delC; G542X/ 1717-1G>A; G542X/G542X; R553X/394delTT; R553X/ 1717-1G>A; R553X/4374+1G>T; R1162X/3129delAATT; W846X/4374+1G>A / 3170delA; W846X/3791delC; W1282X/ 1078delT; W1282X/W1282X (4); W1063X/W1063X; Y122X/Y122X (3)
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Jutta Bend (JBend(at)muko.info).
In diesem Beitrag werden Wirkungen bzw. Nebenwirkungen von Arzneimitteln besprochen. Diese Informationen werden durch das Mukoviszidose Institut ohne den Einfluss Dritter nach bestem Wissen und Gewissen bereitgestellt. In keinem Fall ist damit eine Empfehlung für den Gebrauch oder Nichtgebrauch eines Arzneimittels verbunden. Patienten sollten vielmehr mit ihrem Arzt/ihrer Ärztin die für sie individuell richtige Therapie besprechen.
Quellen
- Burgel P-R, Sermet-Gaudelus I, Durieu I, et al. The French Compassionate Program of elexacaftor-tezacaftor-ivacaftor in people with cystic fibrosis with advanced lung disease and no F508del CFTR variant. Eur Respir J 2023; in press (https://doi.org/10.1183/13993003.02437-2022).
- Deutsches Mukoviszidose Register, Berichtsband 2021 (PDF)
- Artikel zu Gentherapie in der Entwicklung (vor allem bei Stoppmutationen)
- Antrag bei ANSM zur Erweiterung des Härtefallprogramms