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Gesundheitspolitik: kein Zusatznutzen für Kalydeco/Kaftrio bei F508del homozygoten Patienten? Stellungnahmemöglichkeit bis 22.12.2020!

Im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) läuft zurzeit das Verfahren zur frühen Nutzenbewertung für Kaftrio. Sachverständige aus der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sind aufgerufen, bis zum 22. Dezember 2020 Stellungnahmen dazu einzureichen. Der Mukoviszidose e.V. berichtet über das komplizierte Verfahren.

Das Nutzenbewertungsverfahren

Kaftrio, die neue Dreifachkombination aus den Wirkstoffen Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor, ist seit August 2020 in Europa zugelassen und kann seitdem in Deutschland verordnet werden. Kurz nach der Zulassung startete in Deutschland im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) das übliche Verfahren zur frühen Nutzenbewertung. Dieses Verfahren ist Grundlage für die Preisverhandlung zwischen pharmazeutischem Unternehmer und den Krankenkassen. Im Nutzenbewertungsverfahren wird untersucht, ob das neue Medikament besser ist als die bisher verfügbaren (man spricht von der Feststellung eines Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie). Bei Patienten mit einer F508del-Mutation ist die Vergleichstherapie die symptomatische Therapie oder auch „Best Supportive Care“. Bei Patienten mit zwei F508del-Mutationen (homozygot) liegen mit Orkambi und Symkevi bereits CFTR-Modulatoren vor, mit denen Kaftrio im Verfahren verglichen wird. Ergibt das Verfahren keinen Zusatznutzen, hält der G-BA das neue Medikament also nicht für besser als die bisherigen, stellt dies noch keinen Verordnungsausschluss dar. Der Arzt hat grundsätzlich Therapiefreiheit. Aber aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots muss in einem solchen Fall jede Verordnung gut begründet werden. 

Nutzenbewertung: kein Zusatznutzen/erheblicher Zusatznutzen je nach Patientengruppe

Für Kalydeco in Kombination mit Kaftrio wurden am 1. Dezember 2020 die Nutzenbewertungen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) veröffentlicht (Links s. unten). Für Patienten mit einer F508del-Mutation in Kombination mit einer Minimalfunktionsmutation sieht das IQWiG demnach einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen. Für Patienten mit zwei F508del Mutationen jedoch findet das IQWiG keinen Beleg für einen Zusatznutzen. 

Wie kann das sein? Kaftrio wird doch auf allen medizinisch-wissenschaftlichen Fachtagungen und nach vielen positiven Patientenerfahrungen als Meilenstein in der CF-Therapie bezeichnet. Der Grund für die Bewertung ist die kurze Studiendauer der Zulassungsstudie von nur vier Wochen. Eine so kurze Studiendauer wird – gerade für chronische Erkrankungen – grundsätzlich nicht für aussagefähig gehalten. Die Ergebnisse der längeren Studie VX18-445-109 lagen zur Nutzenbewertung jedoch noch nicht vor, sollen aber nachgereicht werden. Wichtig ist: Nicht das IQWiG entscheidet über den Zusatznutzen, sondern der G-BA. In diese Entscheidung werden die schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen der Sachverständigen einbezogen. 

Verwirrende Spiegelverfahren

Kaftrio wird in Europa in Kombination mit Kalydeco verordnet, weil hier – anders als in den USA – aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht zwei unterschiedliche Tabletten in einer Packung sein dürfen. Deshalb gibt es in Deutschland im G-BA nun jeweils zwei Nutzenbewertungsverfahren, nämlich einmal zu dem o.g. Kalydeco in Kombination mit Kaftrio und eines zu Kaftrio in Kombination mit Kalydeco. Obwohl es sich bei beiden Medikamenten um Medikamente für seltene Erkrankungen (sogenannte Orphan Drugs, OD) handelt, unterscheiden sich die Verfahren: Kalydeco/Kaftrio läuft im Normalverfahren, Kaftrio/Kalydeco im vereinfachten Orphan Drug-Verfahren. 

Beim Orphan Drug-Verfahren gilt der Zusatznutzen durch die Zulassung automatisch als belegt; Kaftrio/Kalydeco wird im vorliegenden OD-Verfahren also auf jeden Fall einen Zusatznutzen erhalten. Erst wenn ein Medikament für seltene Erkrankungen eine Umsatzschwelle von 50 Millionen € im Jahr erreicht hat, wird eine neue Nutzenbewertung im strengeren Normalverfahren durchgeführt. Dies ist bereits der Fall für Kalydeco, das ja schon länger auf dem deutschen Markt ist Sobald Kaftrio selbst die Umsatzgrenze überschreitet, wird automatisch ein neues Nutzenbewertungsverfahren nach den strengeren Maßgaben eingeleitet werden. 

Die vier Verfahren im Überblick: 

Stellungnahmemöglichkeit nur für medizinische Experten

Zu allen vier Verfahren sind Sachverständige der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis zur Stellungnahme aufgerufen. Auch die maßgeblichen Dachverbände der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene dürfen sich äußern. Bis zum 22. Dezember2020 können schriftliche Stellungnahmen eingereicht werden – die mündliche Anhörung findet am 11. Januar 2021 (im Moment wegen der Pandemie als Videokonferenz) statt. Patientenvertreter können an dieser Stelle ausdrücklich nicht Stellung nehmen; sie werden jedoch im G-BA-Verfahren als nicht stimmberechtigte Vertreter eingebunden. Vertreter des Mukoviszidose e.V. sind über den Deutschen Behindertenrat (DBR) benannt und im Verfahren vertreten. Die Beschlüsse sollen voraussichtlich Mitte Februar 2021 im G-BA getroffen werden. Wir werden darüber berichten. 

Weitere Informationen:  


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