Der fehlende CFTR-Kanal könnte möglicherweise dabei helfen, dem SARS-CoV-2-Virus den Eintritt in die Zelle zu erschweren. So kann eine kürzlich in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Arbeit verstanden werden. Die Forscher aus Italien untersuchten an verschiedenen Zelllinien und an Zellproben von Menschen mit Mukoviszidose, ob der ACE-2-Rezeptor (Eintrittspforte für das SARS-CoV-2-Virus) mit dem Vorhandensein des CFTR-Kanals in der Membran korreliert.
Fehlt der CFTR-Kanal, dann produziert die Zelle auch weniger ACE-2-Rezeptor
Die Arbeitsgruppe untersuchte dabei die verschiedenen Zellen sehr systematisch hinsichtlich des Zusammenspiels von CFTR-Kanal und ACE-2-Rezeptor: Wo und wie häufig ist der ACE-2-Rezeptor in Zellen zu finden? Was passiert, wenn viel, wenig oder gar kein CFTR-Kanal vorhanden ist? Was passiert bei Stopp-Mutationen (kein CFTR-Kanal) und was bei der F508del-Mutation, wo die Reifung des CFTR-Kanals gestört ist und das fehlerhafte CFTR-Protein nicht in die Zellmembran gelangt, sondern auf dem Weg dorthin in zellulären Strukturen „steckenbleibt“.
Die Forscher haben diese Situationen in Laborversuchen nachgestellt und konnten zeigen, dass der ACE-2-Rezeptor seltener vorhanden ist, wenn der CFTR-Kanal ebenfalls fehlt. Gelangt der CFTR-Kanal nicht an die Zellmembran, wie bei der F508del-Mutation, dann bleibt auch der ACE-2-Rezeptor „stecken“ und gelangt nicht in die Zellmembran. Und bei fehlendem CFTR-Kanal wie bei Stopp-Mutationen ist auch die Häufigkeit des ACE-2-Rezeptors in der Zellmembran stark verringert.
Untersuchungen wurden an Zellen von Menschen mit Mukoviszidose durchgeführt
Diese Untersuchungen wurden sowohl an im Labor etablierten Zelllinien (Wildtyp und Zellen mit verschiedenen CFTR-Mutationen) durchgeführt, als auch an sogenannten Primärzellen, d. h. Zellen, die für die Experimente frisch entnommen wurden. Für die Experimente zu CFTR und dem ACE-2-Rezeptor wurden z. B. bronchiale Zellen entnommen und so kultiviert, dass sie relativ natürlich in Kultur wachsen, inklusive Flüssigkeitsfilm, Schleimschicht und Flimmerhärchen auf der Oberfläche.
Erkenntnisse können bei Entwicklung anti-viraler Medikamente helfen
Die Arbeitsgruppe sieht in ihren Ergebnissen die Vermutung bestätigt, dass weniger/kein CFTR-Kanal für Menschen mit Mukoviszidose die Anfälligkeit für eine SARS-CoV2-Infektion reduzieren könnte, da weniger ACE-2-Rezeptoren den Eintritt der SARS-CoV2-Viren erschweren könnten.
Die Arbeitsgruppe geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht auch von einer möglicherweise erschwerten Vermehrung des SARS-CoV-2-Virus in der Zelle, was dadurch erklärt wird, dass durch einen veränderten Chlorid-Transport die Zell- und Membranbeschaffenheit verändert ist, so dass die Viren sich nicht so gut vermehren können bzw. in Membran-Vesikel verpacken lassen.
Die Arbeiten sind grundsätzlich für die medizinische Forschung interessant, um die SARS-CoV-2-Infektion und Vermehrung des Virus besser zu verstehen – einen Nutzen könnte die Forschung z. B. für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten haben.
CFTR-Kanal im Verlauf von viralen Infektionen zur Vermeidung von Lungenödemen wichtig
Die mögliche Relevanz des CFTR-Kanals für den Verlauf von viralen Erkrankungen bestätigen aktuelle Untersuchungen, von denen wir noch im Dezember in einer Newsmeldung berichtet haben:
Lungenentzündungen, die durch z. B. Pneumokokken oder SARS-CoV-2 ausgelöst werden, führen dazu, dass die Anzahl der CFTR-Kanäle massiv verringert wird. Das betrifft auch die Zellen der Blutgefäße der Lunge, an denen eigentlich der Gasaustausch stattfinden soll. Der CFTR-Verlust führt über eine Signalkaskade zu einer Verschiebung des physiologischen Gleichgewichts (Veränderungen der Ionenkonzentration) und Wasser tritt aus den Blutgefäßen in das Lungengewebe ein – es entsteht das typische Symptom einer schweren Lungenentzündung: Wasser sammelt sich in den tiefen Atemwegen, und es entsteht ein Lungenödem, welches die Atmung und den Sauerstoffaustausch behindert. Die Forscher der Arbeitsgruppe sagen, dass das CFTR-Protein eine ganz zentrale Rolle bei der Entstehung von Lungenödemen spielt. Die Arbeitsgruppe untersucht in diesem Zusammenhang auch den Einsatz von CFTR-Modulatoren, die möglicherweise eine Behandlungsoption bei COVID-19 sein können – nicht nur bei Menschen mit Mukoviszidose.
Registerauswertungen zu Mukoviszidose und COVID-19 finden Risikofaktoren für schweren Verlauf und zeigen Wirksamkeit von Modulatoren
Ein möglicher Vorteil in Bezug auf den Eintritt von SARS-CoV-2 bei fehlendem CFTR-Kanal soll auf keinen Fall dazu verleiten, SARS-CoV-2 bei Menschen mit Mukoviszidose nicht ernst zu nehmen. Registerauswertungen zur Häufigkeit und zur Erkrankungsschwere zeigen eindeutig, dass Menschen mit Mukoviszidose nicht von dem Virus verschont bleiben und dass eine schlechte Lungenfunktion (unter 70% FEV1%), ein CF-Diabetes (CFRD) und auch eine Transplantation Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf darstellen.
Auch die Wirksamkeit von Modulatoren in Bezug auf die Schwere einer COVID-19-Erkrankung wurde für Mukoviszidose in einer Registerauswertung gezeigt, d. h. die Wiederherstellung der CFTR-Funktion durch Modulatoren wirkt sich günstig auf den COVID-19 Verlauf aus.
Wenig CFTR-Kanal erschwert möglicherweise Eintritt von SARS-CoV-2 – wenig CFTR-Kanal ist aber auch Risiko für Lungenödeme bei viraler Infektion
Zusammenfassend kann man vielleicht sagen, dass wenig/kein CFTR-Kanal vermutlich zu Anfang, d. h. bei Kontakt mit dem Sars-CoV-2-Virus günstig sein kann, um den Eintritt des Virus in die Zellen zu erschweren – verhindert werden kann er nicht! Hat das Virus den Eintritt in die Zellen geschafft und ist auch in den tieferen Atemwegen angelangt, ist ein funktionierender CFTR-Kanal auf jeden Fall wichtig, um schwere Verläufe wie Lungenentzündungen und Lungenödeme zu vermeiden.