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Nach Einnahme von Ivacaftor: Knapp ein Drittel weniger Pseudomonas-Befunde nach drei Jahren

Bei Patienten mit der seltenen G551D-Mutation kann die seit 2012 zugelassene Ivacaftor-Therapie auch Pseudomonas-Infektionen reduzieren. Das ist das Hauptergebnis einer kürzlich veröffentlichten Registerauswertung aus Großbritannien. Die Wissenschaftler studierten die Daten von insgesamt über 5.000 Patienten (davon 276 mit Ivacaftor-Therapie) über einen Zeitraum von fünf Jahren. Besonders junge Patienten und solche, deren Schweißchloridwerte sich durch Ivacaftor stark reduziert hatten, hatten später weniger Pseudomonas-Befunde. Sogar chronische Pseudomonas-Infektionen verschwanden in einem Drittel der Fälle.

Im Juli 2019 veröffentlichte die Universität in Liverpool eine Auswertung aus dem englischen Mukoviszidose-Register. Untersucht wurden Patienten, die den Potentiator Ivacaftor einnahmen. In Studien hatte die Einnahme von Ivacaftor Verbesserungen von Lungenfunktion, Gewicht, Exazerbationshäufigkeit und Schweißchloridwert bewirkt. Aber die Wissenschaftler fragten sich, ob langfristig nicht auch ein Effekt auf die bei Mukoviszidose problematischen Lungeninfektionen auftreten könnte. Denn Ivacaftor hatte in Laborversuchen eine direkte antibiotische Wirkung und einen unterstützenden Effekt bei Kombination mit dem Antibiotikum Colistin gezeigt. Außerdem müsste die (teilweise) Wiederherstellung der normalen Lungenumgebung (s. auch Abschnitt zur Wirkungsweise der CFTR-Modulatoren unten) einen Einfluss auf die Wachstumsmöglichkeiten von Keimen in der Lunge haben. Dies wollten die Wissenschaftler untersuchen. Im Register standen dafür Behandlungsdaten von bis zu fünf Jahren zur Verfügung.

So gingen die Wissenschaftler vor

Analysiert wurden Daten von Patienten ab sieben Jahre mit mindestens einer G551D-Mutation, die 2013 mit einer Ivacaftor-Therapie begonnen hatten. Diese wurden mit ähnlichen Patienten aus dem Register verglichen, die jedoch keine Ivacaftor-Therapie erhalten hatten. Von allen Patienten lagen Befunde zum Keimstatus vor. Untersucht wurden Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Aspergillus spp. und Burkholderia cepacia. 276 Patienten wurden in der Ivacaftor-Gruppe und über 5.000 Patienten wurden in den Vergleichsgruppen ausgewertet. Beim Vergleich wurde sehr genau darauf geachtet, dass die jeweiligen Gruppen von ihren Daten her (z.B. mikrobiologischer Status) ähnlich waren.

Das waren die Ergebnisse

Vor Beginn der Ivacaftor-Therapie 2012 war die Häufigkeit von Pseudomonas in der Ivacaftor-Gruppe und der Vergleichsgruppe ohne Ivacaftor-Behandlung in etwa gleich (128 von 276 Patienten, 46.4% vs. 2.536 von 5.296 Patienten, 47.9%). In den folgenden Jahren sank die Häufigkeit der Pseudomonas-Nachweise in der Ivacaftor-Gruppe bis auf 35,9% in 2016. Für Staphylococcus fiel die Häufigkeit nicht ganz so deutlich von 32,2% auf 30,1% und für Aspergillus von 12,0% auf 4,7%. Lediglich für Burkholderia wurde keine Änderung festgestellt. In allen nicht mit Ivacaftor behandelten Gruppen stieg die Häufigkeit der Keimbefunde dagegen an.

Insgesamt lag die Wahrscheinlichkeit eines neuen Pseudomonas-Befundes nach drei Jahren Ivacaftor-Behandlung nur noch bei 32% und ein Drittel der vor Behandlung chronisch mit Pseudomonas Infizierten waren am Ende der Beobachtungszeit Pseudomonas-frei. Eine Kombination aus weniger Neuinfektionen und Eliminierung von bestehenden Infektionen sei der Grund für die Reduktion, so die Wissenschaftler.

Besonders jüngere Patienten, deren Schweißchlorid sich nach Beginn der Ivacaftor-Therapie stark verbessert hatte, konnten ihre Pseudomonas-Infektion eliminieren. Andererseits bekamen Patienten mit schlechterer Lungenfunktion zu Beginn eher auch unter Ivacaftor-Therapie eine Neuinfektion mit Pseudomonas.

Warum kommt es zu der Reduktion der Lungeninfekte?

Der im Labor gezeigte synergistische Effekt von Ivacaftor mit dem Antibiotikum Colistin konnte in der Registerauswertung nicht bestätigt werden. Auch war die antibakterielle Wirkung von Ivacaftor im Labor bei Staphylococcus stärker als bei Pseudomonas. In der Registerauswertung sahen die Wissenschaftler allerdings eher das Gegenteil. Dies spricht also gegen einen direkten antibiotischen Effekt von Ivacaftor beim Patienten. Dass eine stärkere Reduktion des Schweißchloridwertes sich besonders positiv auf die Reduktion von Pseudomonas-Infektionen auswirkte, deutet eher auf die Wiederherstellung der CFTR-Kanal-Funktion als Hauptgrund für die Reduktion der Infekte. Um dies nachzuweisen, müssten aber weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Übertragbarkeit der Studiendaten eingeschränkt

Die vorliegende Registerauswertung ist die größte und längste derzeit vorliegende Studie zum Thema und zeigt zum ersten Mal, dass auch die Eliminierung von Keimen aufgrund einer Modulator-Therapie offenbar möglich ist. In die Auswertung wurden aus methodischen Gründen allerdings nicht alle Patienten einbezogen. Ob die Ergebnisse deshalb auf kleine Kinder und Patienten mit schwererer Erkrankung übertragbar sind, ist unklar. Auch soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass die Untersuchung sich nur auf Ivacaftor bezieht, das bei der seltenen G551D-Mutation eingesetzt wurde. Zu Infektionen bei anderen Modulatoren wie Lumacaftor/Ivacaftor oder Tezacaftor/Ivacaftor kann man derzeit keine Aussage treffen.

CFTR-Modulatoren – was ist das eigentlich?

Der Begriff CFTR-Modulatoren fasst verschiedene Medikamentenklassen zusammen, die am Basisdefekt der Mukoviszidose angreifen, also eine (teilweise) Wiederherstellung der CFTR-Kanalfunktion bewirken. Es gibt Potentiatoren, Korrektoren und Amplifier. Ivacaftor gehört zur Gruppe der Potentiatoren. Ein Potentiator aktiviert bereits gebildete CFTR-Kanal-Moleküle. Ivacaftor wirkt deshalb auch nur bei einer kleinen Gruppe Patienten, die seltene Mutationen (G551D oder Gating-Mutationen) haben. Bei diesen Gendefekten wird zwar CFTR-Kanal gebildet, dieser funktioniert aber nicht richtig. Für Patienten mit zwei F508del-Mutationen muss Ivacaftor mit Korrektoren (z.B. Lumacaftor oder Tezacaftor) kombiniert werden. Ein Korrektor unterstützt den Reifeprozess von CFTR-Kanal-Molekülen in der Zelle und bringt eine größere Anzahl an funktionalen Kanal-Molekülen zu ihrem Wirkort an der Zelloberfläche. Dieser Effekt wird dann durch Ivacaftor verstärkt. Die Reduktion des Schweißchloridwertes ist ein Kennzeichen für die Wiederherstellung der Kanalfunktion. Man geht davon aus, dass der CFTR-Kanal umso besser funktioniert, je niedriger der Schweißchloridwert ist.

Quelle:

Frost FJ, Nazareth DS, Charman SC, Winstanley C, Walshaw MJ. Ivacaftor Is Associated with Reduced Lung Infection by Key Cystic Fibrosis Pathogens: A Cohort Study Using National Registry Data. Ann Am Thorac Soc. 2019 Jul 19.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Jutta Bend (JBend@muko.info) (31.7.2019)

In diesem Beitrag werden Wirkungen bzw. Nebenwirkungen von Arzneimitteln besprochen. Handelsnamen werden genannt, wenn eine eindeutige Identifizierung erforderlich ist, um ein Arzneimittel mit einer spezifischen Darreichungsform zu bezeichnen. Diese Informationen werden durch das Mukoviszidose-Institut ohne den Einfluss Dritter nach bestem Wissen und Gewissen bereitgestellt. In keinem Fall ist damit eine Empfehlung für den Gebrauch oder Nichtgebrauch eines Arzneimittels verbunden. Patienten sollten vielmehr mit ihrem/ihrer Arzt/Ärztin die für sie individuell richtige Therapie besprechen.


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