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SARS-CoV-2 – was kann passieren, wenn das Virus in den Körper gelangt?

Nicht alle Covid-19-Erkrankungen verlaufen gleich und nicht jede Infektion führt zu Symptomen. Seit Entdeckung des neuen Virus Ende 2019 haben Forscher viele Puzzleteilchen zusammengetragen. Inzwischen weiß man schon recht viel über das Infektions- und Krankheitsgeschehen – aber längst noch nicht alles.

Covid-19 verursacht verschiedene Symptome

Insgesamt kann SARS-CoV-2 zu einem vielschichtigen Krankheitsgeschehen führen. Die häufigsten Covid-19-Symptome sind Husten (50% der Erkrankten), Fieber (42%), Schnupfen (21%), Pneumonie (2,7%). Weitere Symptome sind lt. RKI-Steckbrief zum Coronavirus: Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Konjunktivitis, Hautausschlag, Lymphknotenschwellung, Apathie, Schläfrigkeit. Aber auch von Geschmacks- und/oder Geruchsbeeinträchtigungen und neurologischen Beschwerden wird berichtet.

Eine Zusammenstellung der Symptome und Komplikationen bei Covid-19 ist in einer Stellungnahme des Robert Koch Instituts (RKI) zu finden.

80% der Fälle verlaufen mild oder moderat. Bei 20% der Infizierten kann sich die Erkrankung jedoch – typischerweise 7-10 Tage nach Symptombeginn – verschlechtern. Insgesamt 5% der Erkrankten müssen intensivmedizinisch betreut werden und 0,5-1% der Erkrankten versterben.

Schwere Verläufe von Covid-19: akutes Lungenversagen, unkontrolliertes Entzündungsgeschehen und Herz-Kreislauf-Komplikationen

Akutes Lungenversagen ist die häufigste Ursache, die bei Covid-19 Patienten zum Tod führt. Dennoch mehren sich Beschreibungen über schwerwiegende Komplikationen an anderen Organen. Auf der o. g. Seite des RKI kann man u. a. lesen, dass es bei einem Teil der Patienten in der späten Phase der Erkrankung zu einer Situation kommt, in der das Immunsystem sozusagen überreagiert (Virus getriggerte hämophagozytische Lymphohistiozytose, sHLH). Diese Patienten zeigen eine massive Entzündung (Inflammation), man spricht auch von einem „Cytokinsturm“ oder einer „Hyperinflammation“, die in schweren Fällen zu Multiorganversagen führen kann.

Anti-entzündliche Medikamente könnten manchen Covid-19 Patienten helfen

Für diese Patienten ist eine anti-entzündliche Therapie denkbar, das Problem ist jedoch, dass man sich therapeutisch auf einem schmalen Grat bewegt, da eine Eindämmung der Immunreaktion nicht den körpereigenen Kampf gegen das Virus behindern darf. Medikamente stehen z. T. zur Verfügung und werden bei einzelnen Covid-19 Patienten unter klinischer Beobachtung auch bereits eingesetzt. Bisher gibt es dazu noch keine ausreichenden Daten, aber die kürzlich angelaufene systematische klinische Untersuchung wird hoffentlich bald zeigen, ob und bei welchen Covid-19 Patienten anti-entzündliche Medikamente hilfreich sein könnten.

SARS-CoV-2 kann auch Blutgefäße befallen und Störungen in der Blutgerinnung verursachen

Ebenfalls kann man auf der RKI-Seite lesen, dass bei Covid-19-Patienten Gefäße verschiedener Organe durch Blutgerinnsel verengt oder verstopft wurden (thromboembolische Ereignisse). Diese Ereignisse traten zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Erkrankung und in unterschiedlichen Schweregraden auf. Es gibt einige Wissenschaftler, die diesen Zusammenhang genauer untersucht haben. Inzwischen weiß man, dass SARS-CoV-2 nicht nur die Zellen in den Atemwegen befällt, sondern auch in Zellen anderer Organe und der Blutgefäße eindringen kann – nämlich dort, wo sich der ACE2-Rezeptor als „Eintrittspforte“ befindet. In den Blutgefäßen, kann das Virus die Blutgerinnung verändern und zu Blutgerinnseln führen. Je nachdem wo sich diese Blutgerinnsel befinden, können verschiedene Organe betroffen sein und in schweren Fällen Organversagen – auch Multiorganversagen – nach sich ziehen. Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes oder starkes Übergewicht stellen hier ein besonderes Risiko dar und scheinen den Covid-19-Verlauf zu erschweren.

Informationen zur Gefäßentzündung bei Covid-19 sind auch in der Ärztezeitung zu finden.

ACE2 hat Schlüsselfunktion im Organismus

Eine ganz aktuelle Publikation kann möglicherweise erklären, warum SARS-CoV-2 so unterschiedliche Verläufe und vor allem schwere Verläufe vornehmlich bei Menschen mit Vorerkrankungen nehmen kann. Die Eintrittspforte, der sogenannte „ACE2-Rezeptor“, ist in Zellen von Lunge, Darm, Herz, Niere, Blutgefäßen, Gehirn u.a. vorhanden. Der Rezeptor sitzt an der Außenseite der Zelle und ist in Prozesse der Gefäßregulation (Vasokonstriktion) und auch Entzündungsregulation involviert. Sobald das SARS-CoV-2-Virus an so einen ACE2-Rezeptor bindet, wird dieser mit dem Virus in die Zelle gezogen und kann seine eigentliche Aufgabe nicht mehr wahrnehmen. Neben der lokalen Zell- und Gewebeschädigung durch alleinige Vermehrung der Viren können darüber hinaus auch Prozesse angestoßen werden, die das Herz-Kreislaufsystem oder andere Organe schädigen. Und auch die unkontrollierte Entzündung, der Cytokinsturm, könnte dadurch induziert werden.

Organoide: Mini-Organe helfen bei der Erforschung der Infektion

Eine internationale Arbeitsgruppe konnte wichtige Nachweise und erste präklinische Untersuchungen zur Rolle des ACE2-Rezeptors bei der SARS-CoV-2-Infektion an Organoiden untersuchen. Organoide aus Darmgewebe sind in der klinischen Mukoviszidose-Forschung seit einigen Jahren zur Testung von Medikamenten etabliert (vgl. HIT-CF Projekt). Auch Covid-19-Forscher haben Organoide aus verschiedenen Gewebeproben hergestellt und konnten mit dem Modell beweisen, dass SARS-CoV-2 tatsächlich direkt in Zellen der Blutgefäße eindringen kann.

Organoide als Modell zur Testung von Medikamenten

Die Arbeitsgruppe hat das Modell auch genutzt, um ein nachgebautes, lösliches Enzym (hrsACE2) als mögliches neues Covid-19-Medikament zu testen. Die Idee dahinter ist zum einen, das Virus mit dem nachgebauten Rezeptor wie mit einem Köder abzufangen und dadurch das Eindringen in die Zelle zu verhindern. Zum anderen könnte der Wirkstoff auch die natürliche Funktion des ACE2-Rezeptors, die durch das Virus verhindert wird, wiederhergestellt werden. Hierüber berichtete auch das Ärzteblatt kürzlich.

Patienten mit Vorerkrankungen sind anfälliger für schwere Verläufe

In der Alltagssituation ist die Lunge das Organ mit direktem Kontakt zur Umgebung, so dass unweigerlich die Viren zunächst dorthin gelangen. Bei einem gut funktionierenden Immunsystem oder bei bereits vorhandener Immunität (z. B. frühere Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer Impfung) ist das Virus nicht weiter gefährlich und kann vom Organismus bekämpft werden. Bei einem geschwächten Immunsystem oder Vorerkrankungen, was beides vermehrt bei älteren Personen auftritt, gelingt es dem Virus, sich zu vermehren und es kommt demnach zu entzündlichen Reaktionen in der Lunge mit den bekannten Symptomen wie Husten und Einschränkungen der Lungenfunktion. Bei entsprechender Viruslast gelingt es dem Virus im Laufe der Erkrankung dann in einigen Fällen, auch andere Gewebe anzugreifen. Patienten mit Vorerkrankungen der Lunge, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes oder starkem Übergewicht sind dabei anfälliger für schwere Verläufe, wenn entsprechende Schädigungen der Organe schon vorher bestehen.

Eine sehr ausführliche Zusammenfassung des Krankheitsgeschehens bei Covid-19 ist in einem aktuellen Spektrum-Artikel zu lesen.
Eine gute Zusammenfassung zu den Arbeiten mit Organoiden, den Mini-Organen, findet sich in der Süddeutschen Zeitung.

11. Mai 2020, Dr. Sylvia Hafkemeyer


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