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Stellungnahme zur Cholin-Behandlung von Mukoviszidose-Patienten im Rahmen individueller (Selbst-)Heilversuche

Die folgende Stellungnahme ist eine wichtige Ergänzung zu unserer News vom 7. Mai 2019: Verbessert eine regelmäßige Cholin-Einnahme die Lungenfunktion bei Mukoviszidose?

1.    Die Autoren der in der News Verbessert eine regelmäßige Cholin-Einnahme die Lungenfunktion bei Mukoviszidose? zitierten Publikation nehmen die Medienwirksamkeit & Resonanz auf ihre Arbeit wahr, übernehmen aber keine Verantwortung für die Konsequenzen unangemessener Anwendungen in unkontrollierten (Selbst-)Heilversuchen. Dem eigenverantwortlichen Interesse der Mukoviszidose-Patienten bzw. ihrer Eltern an einer Cholin-Behandlung außerhalb klinischer Studien wollen wir jedoch Rechnung tragen.

2.    Cholin ist ein essentieller Nährstoff, rechtlich jedoch ein Nahrungsergänzungsstoff und darf von jeder geschäftsfähigen Person eigenverantwortlich erworben und eingenommen werden. Durch die klinische Wirksamkeit in der wirksamen Dosis von 2200mg/Tag wird Cholin allerdings formal zum Arzneimittel.

3.    Einzelheilversuche mit Cholin-Supplementierung erfordern die Anbindung an eine Mukoviszidose-Ambulanz. Notwendig sind (1) dezidierte Kenntnis des Patienten, (2) Verständnis des Cholin-Stoffwechsels und seiner klinischen Bedeutung, (3) serologische Analytik und Analytik des Cholin-Status vor und während der Behandlung sowie (4) Anleitung über die korrekte Art der Einnahme. Dies ist für potentiellen Erfolg, Vermeidung von „adverse effects“ durch falsche Einnahmetechniken (unverdünnt, keine Verteilung über den Tag) und die Dokumentation notwendig.

4.    Zentrale, von einem Cholin-Mangel potentiell betroffene Organe sind Leber und Lunge. Bei Mukoviszidose-Patienten mit exokriner Pankreas-Insuffizienz ist der Cholinbedarf erhöht, weil diese Patienten vermehrt Cholin mit dem Stuhl ausscheiden. Es gibt jedoch Faktoren des „Genetischen Hintergrunds“ in Form sogenannter „Single Nucleotide Polymorphismen“ (SNP), die die Schwere des Cholin-Mangels bei Mukoviszidose-Patienten wahrscheinlich mitbestimmen.

5.    Die Ergebnisse der Anwendung (3x1g Cholinchlorid entsprechend 2200mg Cholin, verteilt über den Tag zu den Mahlzeiten) beziehen sich auf erwachsene Mukoviszidose-Patienten mit homo- oder heterozygoter F508del-Mutation. Zur Behandlung von Kindern liegen den Autoren bislang keine Daten zum Effekt auf Lunge und Leber vor.

6.    Andere Cholin-Verbindungen, Konzentrationen der Lösung, Kapseln, Dosierung und Anwendungsarten sind bislang nicht geprüft und daher nicht empfohlen.

7.    Die Autoren der genannten Publikation, obwohl sie im Einzelfall Behandlungen durchführen, favorisieren die Prüfung in prospektiven randomisierten Studien, damit die Cholin-Behandlung nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin umsetzbar werden kann.

 

Wolfgang Bernhard
Apl. Prof. Dr. med. Dr. rer. physiol.
Facharzt für Physiologie, Oecotrophologe
Stoffwechsel- & Entwicklungsphysiologie
Klinik f. Kinder- & Jugendmedizin, Abt, IV
Calwerstr. 7, 72076 Tübingen
wolfgang.bernhard@med.uni-tuebingen.de
Ute Graepler-Mainka
Dr. med.
Fachärztin für Kinderheilkunde
Mukoviszidose-Ambulanz
Klinik für Kinder- & Jugendmedizin, Abt, I
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
ute.graepler-mainka@med.uni-tuebingen.de
Andreas Hector
Dr. med.
Facharzt für Kinderheilkunde
Mukoviszidose-Ambulanz
Klinik für Kinder- & Jugendmedizin, Abt. I
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
andreas.hector@med.uni-tuebingen.de

Quelle:

Bernhard W, et al. Choline Supplementation in Cystic Fibrosis-The Metabolic and Clinical Impact. Nutrients. 2019 Mar 18;11(3).

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Sylvia Hafkemeyer (SHafkemeyer(at)muko.info)

In diesem Beitrag werden Wirkungen bzw. Nebenwirkungen von Arzneimitteln besprochen. Handelsnamen werden genannt, wenn eine eindeutige Identifizierung erforderlich ist, um ein Arzneimittel mit einer spezifischen Darreichungsform zu bezeichnen. Diese Informationen werden durch das Mukoviszidose-Institut ohne den Einfluss Dritter nach bestem Wissen und Gewissen bereitgestellt. In keinem Fall ist damit eine Empfehlung für den Gebrauch oder Nichtgebrauch eines Arzneimittels verbunden. Patienten sollten vielmehr mit ihrem/ihrer Arzt/Ärztin die für sie individuell richtige Therapie besprechen.


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