Gen-Additions-Therapien: mutationsunabhängig, die CFTR-DNA muss aber in den Zellkern gelangen
Hier gibt es derzeit drei Entwicklungen zur Behandlung der Mukoviszidose, die in klinischen Studien untersucht werden: 4D-710 von 4D-Therapeutics; BI 3720931-Aerosol LenticlairTM1 von Boehringer Ingelheim; KB407 von Krystal Biotech.
Erste Ergebnisse von Studien mit 4D-710
Es wurden Zwischenergebnisse zu 4D-710 (verkürztes CFTR-Gen auf Adeno-assoziiertem Vektor, AAV) berichtet. In der Studie Phase 1/2 Studie (AEROW) haben zehn Personen mit Mukoviszidose, bei denen Modulatoren nicht wirken, das Präparat inhaliert. Jeder Studienteilnehmer erhielt nur eine Dosis, da zunächst Verträglichkeit und Sicherheit geprüft wurden. Die verabreichte Dosierung variierte bei den Teilnehmern, um die optimale Dosis herauszufinden. Insgesamt wurden die Studienteilnehmer zwölf Monate nachbeobachtet.
Die nun berichteten Zwischenergebnisse sind gut, so dass die Firma die Phase-2-Studie in Kürze beginnen möchte. Das Gentherapeutikum wurde gut vertragen und in Gewebeproben konnte gezeigt werden, dass das über einen Vektor eingebrachte Gen in verschiedenen Zellen des Lungenepithels nachgewiesen werden konnte und auch zur Herstellung des CFTR-Kanals verwendet wurde. Dabei wurde sogar beobachtet, dass die Konzentration des CFTR-Proteins 2- bis 4-mal höher war als in Zellen von gesunden Kontrollen. Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Studie ist, dass auch Personen, die Antikörper gegen den als Vektor eingesetzten Virus hatten (aus vorherigem Kontakt mit dem Vektor ähnlichen und natürlicherweise vorkommenden Viren), das Gentherapeutikum vertrugen und CFTR-Protein in den Zellen nach Verabreichung nachgewiesen werden konnte.
Im ersten Halbjahr 2024 startet die Phase-2-Studie (neun Personen mit wiederholten Anwendungen), Ergebnisse werden für 2025 erwartet. Ist auch eine wiederholte Verabreichung gut verträglich, könnte 2025 eine Phase-3-Studie mit Fokus auf der Wirksamkeit starten. Es gibt derzeit auch Planungen zu einer Studie an Personen unter Modulatoren, um einen additiven Effekt beider Therapien zu untersuchen.
Präklinische Ergebnisse zu BI 3720931
In einem Vortrag stand die präklinische Entwicklung des Gentherapeutikums BI 3720931 im Fokus: Als Vektor wird ein Lentivirus verwendet, der genetisch verändert wurde (zur Verbesserung von Verträglichkeit/Sicherheit und um Vektor gezielt an Lungenzellen binden zu lassen). BI 3720931 ist bislang die einzige genetische Therapie, die auf eine dauerhafte Wirkung abzielt, da Lentiviren in das Genom integrieren (d. h. das von dem Virus in die Zelle eingebrachte CFTR-Gen wird in die körpereigene DNA im Zellkern eingebaut und an Tochterzellen weitergegeben). In den nun gezeigten Ergebnissen aus Mausexperimenten mit dem BI 3720931-Aerosol (LenticlairTM1) wurden 35% der Zellen von dem Vektor erreicht, in 7% der Zellen integrierte der Vektor in das Genom. Das Prinzip scheint zu funktionieren, denn auch die Nutzung des eingebrachten CFTR-Gens konnte nachgewiesen werden (über Messung der Genabschrift, der CFTR-mRNA). Dabei wurde in den Tierexperimenten eine deutlich höhere Konzentration der CFTR-mRNA gemessen als natürlicherweise von den Zellen hergestellt wird. Die Verträglichkeit des Gentherapeutikums bei den Mäusen war gut, eine klinische Phase-1-Studie (Sicherheit und Verträglichkeit) mit dem BI 3720931-Aerosol (LenticlairTM1) wird in Kürze in Europa starten.
mRNA-Therapien: mutationsunabhängig, arbeiten mit der Abschrift von Genen und setzen daher einen Schritt später ein auf dem Weg vom Gen zum Protein
Hier gibt es derzeit drei CFTR-mRNA-Entwicklungen, die in der klinischen Prüfung sind: RCT2100 von Recode, Lunar®-CF von Arcturus und VX-522 von Vertex.
Lunar®-CF (CFTR-mRNA, transportiert in Lipidnanopartikel, LPN) wird in Neuseeland in einer Phase-1-Studie (Sicherheit und Verträglichkeit) untersucht. Nach erfolgreicher Durchführung von Teil 1 der Studie an 32 gesunden Probanden wurden nur leichte und vorübergehende Nebenwirkungen (erhöhte Temperatur, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit) beobachtet. Nun wurde über vier Personen mit Mukoviszidose berichtet (drei mit F508del-Mutationen und eine mit G542X-Mutation), die das Präparat zweimal im Abstand von zwei Tagen erhalten haben. Auch hier wurden die ca. 15 bis 20-minütigen Inhalationen relativ gut vertragen, nach zweimaliger Anwendung und vier Wochen Nachbeobachtung wurde hinsichtlich der FEV1 von einem „positiven Trend“ gesprochen. Insgesamt sollen acht Personen mit Mukoviszidose eingeschlossen werden und vor allem die Verträglichkeit und Sicherheit untersucht werden.
RCT2100 von Recode wird in Phase 1 mit gesunden Freiwilligen in Neuseeland untersucht, aber eine Studie an Personen mit Mukoviszidose soll (siehe auch HIT-CF-Newsletter) bald starten, zunächst in den Niederlanden, UK und Frankreich. Auch hier wird ein Lipidnanopartikel verwendet, um die CFTR-mRNA zu transportieren. Dabei wird auf die von Recode entwickelte SORT-Technologie gesetzt, die die LNP mit speziellen Rezeptoren ausstattet, um gezielt die Zellen ausgewählter Organe zu erreichen (z. B. die Lunge). In einer hochrangigen Publikation Mitte Juni 2024 wurde für diese Nanopartikel gezeigt, dass sogar bei Verabreichung über das Blut Zellen der Lunge gezielt erreicht wurden. Allerdings war das ein anderer genetischer Ansatz (Gene-Editing) und nur im Tiermodell gezeigt (Science. 2024 Jun 14 und LinkedIn Post des Mukoviszidose e. V.)
ASOs – kurze Nukleinsäureketten
Antisense Oligonukleotide sind kurze Sequenzen von Nukleinsäuren, die spezifisch an Gensequenzen binden und daher mutationsspezifisch wirken. Sie können ganz unterschiedlich genutzt werden, zur Behandlung von Spleiß- oder Stoppmutationen oder auch zur Hemmung von Genen.
SpliSense entwickelt eine genetische Therapie zur Behandlung der Spleißmutation 3849+10Kb c->T. Die Phase-1-Studie an gesunden Probanden zur Verträglichkeit und Sicherheit wurde erfolgreich abgeschlossen, das inhalierbare Präparat SPL-84 war gut verträglich und wurde wie erwartet hauptsächlich in der Lunge nachgewiesen (nur geringe systemische Verteilung beobachtet). Die ASOs verbleiben längere Zeit im Körper und würde eine regelmäßige Inhalation vielleicht nur wöchentlich notwendig machen. Eine Phase-2-Studie an Personen mit der entsprechenden Mutation soll noch 2024 starten, auch in Europa. SpliSense berichtet auch über weitere Entwicklungen, die allerdings noch präklinisch untersucht werden: SPL-23-2 bei W1282X-Mutation und SPL-5AC zur Hemmung der Muzin-Produktion über Inhibition des MUC5AC-Gens. ASOs haben demnach viel Potential, sie sind klein (gut zu verabreichen), Sequenz-spezifisch (d. h. das Ziel-Gen wird spezifisch erreicht und wenige oder keine „off-target“-Effekte an anderen Genen erwartet), werden mit der Zeit vom Körper selber wieder abgebaut und wirken nur in den Zellen, wo das Gen natürlicherweise auch abgelesen wird.
Genetische Therapien – ein Thema worüber mit ALLEN gesprochen werden sollte
Thematisiert wurde auch die dringende Notwendigkeit und wichtige Aufgabe, transparent und verständlich über genetische Studien zu informieren, um die Grundlagen zu schaffen auf denen fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Damit gemeint war ausdrücklich nicht allein die Aufklärung möglicher Studienteilnehmer, sondern gute Aufklärung für alle, die in die Durchführung von klinischen Studien zu genetischen Therapien involviert sein werden, das Studienteam, die Behandler und auch die Genehmigungsbehörden. Die Wirkungsweise von genetischen Therapien ist so komplex wie auch unterschiedlich, so dass verständliches Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden muss. Die Europäischen Patientenorganisationen stellen über die CFE-Internetseite eine Sammlung von Informationen in verschiedenen Sprachen zu genetischen Therapien zur Verfügung.
Zur Internetseite von CF Europe (Informationen zu genetischen Therapien)